Das Magische Labyrinth
getroffen.«
»Vielleicht schert er sich – falls es ihn gibt – wirklich nicht um sie«, sagte Burton. »Auf jeden Fall gibt es keinen Gegenbeweis dafür.
Aber egal. Ich behaupte, daß ein menschliches Wesen ohne Wathan keinen freien Willen hat. Ich meine damit die Fähigkeit, zwischen moralischen Alternativen wählen zu können, sich körperlichen Verlangen, der Umwelt und persönlichen Neigungen zu entsagen und sich selbst an den Haaren aus allem herauszuziehen. Nur das Wathan verfügt über einen freien Willen und ein Existenzbewußtsein, wenngleich es dies, wie ich zugeben muß, mit dem Körper als Vehikel ausdrücken muß. Wathan und Körper beeinflussen sich gleichermaßen. Tatsächlich scheint das Wathan seine Charakterzüge – jedenfalls die meisten – sogar durch den Körper zu kriegen.«
»Na schön«, sagte Frigate. »Sind wir damit nicht wieder da, wo wir angefangen haben? Wir können noch immer keine klare Grenze zwischen Wathan und Körper ziehen. Wenn das Wathan für das Ich und den freien Willen sorgt, ist es andererseits, was seine Charakterzüge und alles im genetischen und nervlichen Bereich angeht, vom Körper abhängig. Die Charaktereigenschaften sind in Wirklichkeit Vorstellungen, die das Wathan absorbiert. Oder fotokopiert. Also ist das Wathan nur eine Fotokopie, nicht das Original.
Wenn der Körper stirbt, bleibt er tot. Das Wathan schwebt davon, was immer darunter zu verstehen ist. Es führt die duplizierten Emotionen, Gedanken und alles, was eine Person ausmacht, mit sich. Verbindet man es mit einem duplizierten Körper, erlangt es wieder ein Bewußtsein und einen freien Willen. Aber es handelt sich dann nicht mehr um die gleiche Person.«
»Du hast gerade den Nachweis geführt«, sagte Aphra Behn, »daß es keine Seele gibt, jedenfalls keine solche, wie man sie sich gemeinhin vorstellt. Wenn es sie doch gibt, ist sie überflüssig und hat mit der Unsterblichkeit eines Individuums nichts zu tun.«
Zum ersten Mal, seit Burton das Thema angeschnitten hatte, ergriff Tai-Peng das Wort.
»Ich würde sagen, das Wathan ist das einzige, auf das es ankommt. Es ist der einzig unsterbliche Teil, das einzige Ding, das die Ethiker bewahren können. Es muß das gleiche sein, wie das Ka der Chancisten.«
»Dann ist es nicht mehr als ein halber Arsch«, rief Frigate aus. »Es ist nur ein Teil von mir, dem Geschöpf, das auf der Erde starb! Es kann erst dann zu einem wirklichen Leben wiedererweckt werden, wenn auch mein Originalkörper aufersteht!«
»Es ist der Teil, den Gott will und den er absorbieren wird«, sagte Nur.
»Wer will denn absorbiert werden? Ich will ich sein, und zwar an einem Stück!«
»Du wirst die Ekstase erfahren, ein Teil von Gottes Leib zu sein.«
»Na und? Dann wäre ich aber nicht mehr ich!«
»Auf der Erde wart ihr mit fünfzig auch nicht mehr die gleichen wie mit zwanzig«, sagte Nur. »In jeder Sekunde eures Lebens befanden und befinden sich eure Körper in einem Prozeß der Veränderung. Die Atome, aus denen sich eure Körper bei der Geburt zusammensetzten, waren nicht die gleichen, die euch mit acht ausmachten. Andere hatten sie ersetzt. Auch als ihr vierzig und fünfzig wart, bestandet ihr aus anderen.
Dein Körper hat sich verändert – und mit ihm dein Geist, deine Erinnerungen, deine Ansichten und Reaktionen. Du bist nicht mehr derselbe.
Und wenn – oder falls – du, das Geschöpf, die Schöpfung, zu deinem Schöpfer zurückkehrst, wirst du dich auch verändern. Es wird die letzte Veränderung sein, denn danach gibt es keine mehr. Es wird deswegen keine Veränderung mehr geben, weil dazu kein Anlaß besteht. Gott ist perfekt.«
»Quatsch«, sagte Frigate mit rotem Gesicht und geballten Fäusten. »Da ist immer noch mein innerer Kern, das Ding, das ewig leben möchte, und sei es unvollkommen! Auch wenn ich nach Vollkommenheit strebe, was ich möglicherweise nie erreiche! Es ist das Streben, das das Leben erträglich macht, auch wenn es manchmal beinahe unerträglich ist! Ich will ich sein, und zwar für immer! Egal, was sich auch verändert, in mir ist etwas, eine unveränderliche Identität, die Seele, wie immer du es nennen willst, etwas, das sich dem Tod widersetzt, ihn verabscheut und ihn für unnatürlich erklärt! Der Tod ist sowohl eine Beleidigung als auch eine Verletzung, und in gewissem Sinne etwas Unvorstellbares!
Wenn der Schöpfer etwas mit uns vorhat, warum, zum Teufel, sagt er uns nicht, was? Sind wir denn so dumm, daß wir es nicht
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