Das Magische Labyrinth
Kantznow, die Schwägerin des schwedischen Forschers Graf von Rosen, kennen. Obwohl sie geschieden und die Mutter eines achtjährigen Jungen war, heiratete er sie. Bis zu ihrem Tode war er ihr ein guter Ehemann. Obwohl er später in einer Organisation Karriere machte, die für ihren unmoralischen Lebenswandel berüchtigt war, hielt er ihr und seiner zweiten Frau die Treue. Sexuell gesehen war er ein Puritaner. Er war auch ein politischer Puritaner. Wem er einmal seine Loyalität versprochen hatte, dem hielt er sie auf ewig.
Es war ein Wunder, daß er es je zu etwas brachte. Obwohl er oft davon träumte, hohe Positionen einzunehmen und reich zu werden, ließ er sich treiben. Ohne einem bestimmten Leuchtfeuer zu folgen, überließ er es den Ereignissen und Zufallsbekanntschaften, ihn mitzuziehen.
Es war sein Glück – oder sein Unglück –, daß er Adolf Hitler kennenlernte.
Während des niedergeschlagenen Münchener Putsches von 1923 wurde Göring verwundet. Da es ihm gelang, im Hause einer Ilse Ballin, der Frau eines jüdischen Kaufmannes, Unterschlupf zu finden, konnte er der Polizei für eine Weile entkommen. Er vergaß nie, was er dieser Frau schuldete. Nachdem Hitler die Macht über Deutschland an sich gerissen hatte und die Judenverfolgungen begannen, arrangierte er für sie und ihre Familie die Flucht nach England.
Nachdem Göring sein Ehrenwort, nach der Entlassung aus der Haft nicht unterzutauchen, gebrochen hatte, floh er nach Österreich. Hier zwang ihn seine Verletzung dazu, in ein Hospital zu gehen, wo er der Schmerzen nur dadurch Herr wurde, daß er Morphium nahm. Krank und ohne einen Pfennig und durch zahlreiche Operationen geschwächt, wurde er gemütskrank. Gleichzeitig ging es mit der Gesundheit seiner Frau, die schon immer leidend gewesen war, bergab.
Göring – inzwischen morphiumsüchtig – begab sich nach Schweden und verbrachte dort ein halbes Jahr in einem Sanatorium. Als geheilt entlassen kehrte er zu seiner Frau zurück. Obwohl ihm alles hoffnungslos erschien und er ziemlich am Ende war, verlor er nicht den Mut und nahm den Kampf von neuem auf. Das war typisch für ihn. Wenn alles verloren schien, erhielt er irgendwann von irgendwoher stets neue Kraft.
Er kehrte nach Deutschland zurück und tat sich wieder mit Hitler zusammen, den er für den einzigen Menschen hielt, der das Land wieder groß machen konnte. Karin starb im Oktober 1933 in Schweden. Zu diesem Zeitpunkt hielt Göring sich mit Hitler in Berlin auf, wo sie Hindenburg trafen, der der Ansicht war, der Führer der NSDAP würde ihn schlagen. Göring hatte sich stets schuldig gefühlt, weil er sich dafür entschieden hatte, am Todestag seiner Frau mit Hitler zusammen zu sein. Ihr Tod führte ihn für eine Weile zum Morphium zurück. Dann traf er Emmy Sonnemann, eine Schauspielerin, und heiratete sie.
Trotz seines ausgezeichneten Organisationstalents galt Göring als sentimental. Sein Temperament führte hin und wieder auch dazu, daß seine Zunge ihm durchging. Während der Verhandlungen gegen die Männer, die man beschuldigte, den Reichstag angezündet zu haben, erhob er groteske Anklagen. Der bulgarische Kommunist Dimitroff legte dem Gericht kühl auseinander, daß man ihn gesetzwidrig behandelte und daß die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen unlogisch seien. Görings Unvermögen, die Prozesse unter Kontrolle zu halten, störten den beabsichtigten propagandistischen Effekt und demolierten die falsche Fassade der nazistischen Propagandamaschinerie.
Trotzdem beauftragte man Göring mit dem Aufbau einer neuen Reichsluftwaffe. Er war nun nicht mehr das schlanke Fliegeraß, sondern hatte stark zugenommen. Seine nun doppelt schwere Gestalt brachte ihm zwei neue Spitznamen ein: >Der Dicke< und >Der Eiserne<. Der rheumatische Schmerz in den Beinen ließ ihn erneut zu Drogen (besonders Parakodeinen) greifen.
Da er kein Gelehrter oder Schriftsteller war, diktierte er ein Buch mit dem Titel Deutschlands Wiedergeburt, das auch in England erschien. Er liebte die Werke von George Bernard Shaw und konnte ganze Abschnitte aus ihnen zitieren. Natürlich kannte er auch die deutschen Klassiker wie Goethe, Schiller, die Schlegels und andere. Man wußte allgemein, daß er sich für Malerei interessierte, Detektivgeschichten liebte und in mechanisches Spielzeug und technische Spielereien vernarrt war.
Inzwischen träumte er auch von einer Göring-Dynastie, die tausend Jahre andauern und seinen Namen in die Geschichte eingehen lassen sollte.
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