Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
Vorspruch
Der Öffentlichkeit wird hier ein Buch vorgelegt, das im zeitgenössischen Schrifttum wenig Gegenstücke findet und dessen Gehalt besondere Aufmerksamkeit verdient. Es ist durch den Namen Albert Einstein gekennzeichnet, – also durch eine Persönlichkeit, die in der Entwickelung der Wissenschaft einen Merkstein darstellt.
Freilich bedeutet jeder Forscher, der durch eine nachhaltige Entdeckung das geistige Gesichtsfeld erweitert, einen Merkstein auf dem Wege der Erkenntnis, und im hohen Plural wären sie aufzuzählen, die Größen, in denen sich das Excelsior aller Wissenschaften verkörpert. Im Einzelnen mag man hier unterscheiden, wem die Menschheit zu größerem Dank verpflichtet ist, einem Euklid oder Archimedes, dem Plato oder Aristoteles, dem Descartes oder Pascal, dem Lagrange oder Gauß, dem Kepler oder Kopernikus. Man würde dabei zu untersuchen haben – soweit solche Betrachtung im Bereich der Möglichkeit liegt – inwieweit jeder Große seiner Zeit voraneilte, und ob das, was er als neues Geistesgut fand, auch von einem andern Zeitgenossen hätte gefunden werden können; ob wohl gar eine geschichtliche Notwendigkeit für die einzelne Entdeckung zur bestimmten Zeit vorlag. Und wenn man dann nur noch diejenigen auswählt, die weit über ihre Gegenwart hinausgriffen in unabsehbare Zukunft der Erkenntnis, dann wird sich jener Plural sehr erheblich vermindern. Man wird über die Kilometer- und Meilensteine hinwegblicken bis zu den Merkmalen, welche die Reichsgrenzen der Wissenschaften bezeichnen, und als eines dieser Wahrzeichen wird man Albert Einstein anzuerkennen haben. Ja, es wäre nicht ausgeschlossen, daß man sich noch zu anderen, strengeren Einteilungen entschließen müßte: die Wissenschaft selbst könnte späterhin zu einer neuen Chronologie schreiten und den Anfang einer bedeutsamen Ära an den Punkt legen, wo die Einsteinsche Lehre zuerst hervortrat. Es wäre sonach gerechtfertigt und vielleicht notwendig, ein Buch über Einstein zu schreiben. Allein, dieser Notwendigkeit ist bereits mehrfach genügt worden, wir besitzen schon jetzt eine ansehnliche Literatur über ihn, und in einem Menschenalter wird man eine stattliche Bücherei bloß aus Einsteinbüchern aufbauen können. Von der Mehrzahl dieser Schriften wird sich die hier vorliegende beträchtlich unterscheiden, und zwar dadurch, daß Einstein hier nicht nur als Objekt, sondern auch als Subjekt auftritt. Gewiß, hier wird auch »über« ihn gesprochen, allein, man wird ihn auch selbst sprechen hören, und für einen denkenden Menschen kann es keinem Zweifel unterliegen, daß es sich verlohnen wird, ihm zuzuhören.
Der Titel entspricht der Tatsache, aus der sich die Entstehung dieses Buches herleitet. Und indem es unternimmt, sich an den Leserkreis wie an ein Auditorium zu wenden, verspricht es ihm vielerlei mitzuteilen, was Einsteins eigenem beredten Munde entfloß; in Stunden der Unterhaltung, denen weder ein Lehrplan noch auch überhaupt eine akademische Absicht zugrunde lag. Es wird also weder ein Kolleg werden, noch irgend ein Gebilde, das auf systematische Entwickelung und Ordnung abzielt. Ebensowenig eine phonographische Wiedergabe, da diese sich schon aus einem ohne weiteres einleuchtenden Grunde ausschließt: Wenn einem das Glück zuteil wird, sich mit diesem Manne zu unterhalten, so wird ihm die Minute viel zu kostbar, als daß er davon noch Bruchteile für stenographische Aufzeichnung abzuzweigen vermöchte. Allenfalls hält er das Gehörte und Durchsprochene in nachträglichen Notizen fest, streckenweis verläßt er sich auf seine Erinnerung, die ja außerordentlich träge sein müßte, wollte sie es fertig bringen, aus solchen Gesprächen das Wesentliche zu verlieren.
Dieses Wesentliche wäre aber auch nicht durch ein ängstliches Anklammern an die Wortwörtlichkeit zu erzielen. Ein Gewinn würde sich weder für den Plan des Buches ergeben, noch für den Leser, der einem großen Forscher in die zahlreichen Verzweigungen seines Denkens folgen will. Nicht stark genug kann ich es betonen, daß hier weder ein Lehrbuch entstehen soll noch ein Leitfaden, noch irgend ein abgeschlossener Denkkomplex, und am allerwenigsten eine von Einstein selbst entworfene und gewollte Schrift. Der Wert und Reiz dieses Buches soll vielmehr in einerFarbigkeit und Vielfältigkeit bestehen, in einem losen Gefüge, das den Sinn zutage treten läßt, ohne sich von der Forderung nach Buchstabentreue ins Pedantische treiben zu lassen. Gerade die
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