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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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fragte Kovacs. Veronika Bayer lachte. Nein, sagte sie, damit wäre niemandem gedient.
    »Sie schauen ihnen beim Sterben zu?«
    Das Sterben gehöre zu ihrem Job. Mit einer Stange schob sie das wasserseitige Tor auf. Ein Stockentenpärchen flüchtete unter Protest.
    Mauritz betrachtete das Boot. »Soll ich nicht hierbleiben?«, fragte er. Es sei für acht Personen zugelassen, sagte Veronika Bayer und zog das Kabel aus der Ladestation. Unter den Sitzbänken gebe es außerdem Schwimmwesten. »Die passen mir niemals«, sagte Mauritz.
    Sie fuhren ein Stück die Schilfzone entlang, dann in einem südwärts gerichteten Bogen auf den See hinaus. Der Himmel war bewölkt, der See graublau. Dort und da tanzten Sonnenreflexe übers Wasser. Kovacs, der mit dem Fernglas im Bug saß, bekam ab und zu einen Gischtspritzer ab. Er mochte das.
    Es habe Zeiten gegeben, erzählte Veronika Bayer, da sei Frühwald täglich geschwommen, und da er stets vom Biologensteg gestartet sei, habe man sich zwangsläufig immer wieder gesehen. Kennengelernt sei zu viel, er habe nicht viel geredet. Auch auf dem See seien sie ihm manchmal begegnet, insofern sei der Gedanke, dass ihm das Elektroboot vertraut sei, natürlich richtig. Wenn er ihn sehe, könne es trotzdem sein, dass Frühwald Panik bekomme oder den Drang, zu fliehen, sagte Mauritz. Dann solle er sich ducken, sagte Kovacs. »Ducken – ich?«, sagte Mauritz und tippte sich gegen die Stirn.
    Sie sprachen über den Fischbestand, über die Schönheit des Saiblings, über die Felchenschwärme vor Waiern und darüber, dass am Mooshaimer Ende alljährlich im Mai die Äschen aus der Ache in den See wanderten. Kovacs erzählte von seinem Döbelfang und Mauritz sagte, sobald Nikolaus eine Angel halten könne, werde er es mit ihm ausprobieren.
    Kovacs stellte sich Charlotte im Heck des Bootes vor, in der Hand eine kurze Spinnrute und auf dem Kopf den Iro, der weit über den See leuchtete, dann Marlene mit ihrem verächtlichen Blick und am Ende, wie sie beide beim Frühstück saßen und einander misstrauisch beäugten.
    »Und du traust diesem Psychiater?«, fragte Mauritz. »Schaue ich aus wie jemand, der einem Psychiater traut?«, antwortete Kovacs.
    »Und warum sind wir dann hier?«
    Weil er genau zwei alternative Bilder vor sich sehe, sagte Kovacs, entweder hänge der Mann irgendwo an einem Strick oder er sei gerade dabei, ein Kind zu schlagen. Veronika Bayer blickte ihn groß an: »Sie meinen, er …?« Kovacs zuckte mit den Schultern. »Er oder nicht er – ich habe keine Ahnung«, sagte er.
    »Haben Sie Kinder?«, fragte sie. Kovacs nickte. Eine Tochter, sagte er, und ja, auch er habe sie einmal geschlagen. In letzter Zeit komme es ihm vor, als wolle die ganze Welt wissen, ob er seine Tochter geschlagen habe. Wolle sie aber gar nicht, sagte Veronika Bayer – seine Tochter sei sicher ganz wunderbar. Ja, sei sie, sagte Kovacs, früher ein Kartoffelsack, jetzt ein Indianer.
    »Meiner heißt Nikolaus«, sagte Mauritz und strahlte.
     
    »Links vorne«, sagte Veronika Bayer. Kovacs brauchte einige Zeit, dann war er überrascht, wie nahe sie dem Mann gekommen waren, ohne ihn zu bemerken. Er hob das Fernglas an die Augen. »Glatze und Schwimmbrille«, sagte er, »und er ist schon auf dem Rückweg.« Frühwald schwamm lange, ruhige Brusttempi und tauchte bei jedem Armzug bis zum Unterrand der Brille ein.
    Sie zogen einen Bogen in Richtung Fürstenauufer und näherten sich dem Mann von hinten. »Haben Sie eigentlich eine Waffe dabei?«, fragte die Biologin plötzlich. Kovacs schüttelte den Kopf. »Haben Sie Angst?«, fragte Mauritz. Sie grinste. »Nein«, sagte sie.
    Als sie auf gleicher Höhe waren, warf ihnen Frühwald einen kurzen Blick zu. Kovacs war klar, dass er wusste, wer sie waren. »Was tun wir?«, fragte Mauritz. »In den nächsten Minuten gar nichts«, sagte Kovacs.
    In einem Abstand von fünf, sechs Metern eskortierten sie Kurt Frühwald bis knapp vors Ufer. Am Schluss drehte Veronika Bayer den Regler maximal hoch, so dass sie etwas vor ihm am Steg ankamen. Sie ließ Kovacs und Mauritz aussteigen und vertäute das Boot.
    Kurt Frühwald trug einen knielangen Neoprenanzug mit kurzen Ärmeln. Er wisse, das sehe an einem Mann seines Alters ein wenig lächerlich aus, sagte er, aber für Ostern sei das genau richtig, ein bisschen Isolierung und viel Bewegungsfreiheit. Er zog sich die Schwimmbrille vom Kopf. »Sie sind von der Polizei, nehme ich an«, sagte er. Kovacs nickte. Mauritz hüstelte

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