Marsha Mellow
KAPITEL 1
Nervös warte ich im Vorzimmer. Innerlich angespannt umklammere ich die Knie, während mich eine Sekretärin mit blonder Mähne hinter einer Yucca-Palme verstohlen beobachtet. In diesem Moment klingelt ihr Telefon, und sie nimmt ab. Sie lauscht einen Moment lang, legt dann den Hörer auf und haucht mir zu: »Er ist jetzt bereit, Sie zu empfangen.«
Ich stehe auf und streiche meinen Rock glatt. Unter meiner Kostümjacke fühle ich mein Herz pochen. Ich hasse Bewerbungsgespräche wie die Pest, aber ich brauche diesen Job unbedingt. Ich hole tief Luft und öffne die Tür zu dem Büro.
»Kommen Sie herein und nehmen Sie Platz, ich bin gleich für Sie da«, sagt der Typ hinter dem breiten Schreibtisch. Sein Akzent lässt mich stutzen. Ich hatte nämlich nicht damit gerechnet, dass der Seniorpartner von Blinkhorn & Bracken Amerikaner ist.
Ich nehme Platz und betrachte meinen Arbeitgeber in spe dabei, wie er etwas zu Ende schreibt. Er ist wesentlich jünger, als ich erwartet habe, und sieht zudem ziemlich gut aus mit seinem gebräunten, markanten Gesicht. Schließlich legt er den Stift zur Seite, sieht mich an und setzt ein strahlendes Lächeln auf.
»Okay... Amy«, meint er, während sein Blick kurz über meinen Lebenslauf auf seinem Schreibtisch wandert, »dann beginnen Sie am besten mal mit Ihrer Qualifikation.«
Ich spüre, wie mein Mund trocken wird, während ich verzweifelt versuche, mich an die Antworten zu erinnern, die ich in den vergangenen Tagen einstudiert habe. »Ja. Okay. Gut«, beginne ich zögernd. »Also, ich habe sehr gute Kenntnisse in Word und in Power Point und ...«
»Sind Sie fit im Diktat?«, unterbricht er mich.
»Im Diktat? Ja, mein Steno ist ziemlich ...«
Dieses Mal unterbreche ich mich selbst, weil er sich erhoben hat... und sein Ding hängt heraus ... und - Himmel! - es ist ein richtiger Prügel. Einen halben Meter lang. Mindestens. Jetzt schlägt mein Herz wie verrückt, aber ich versuche mein Bestes, es zu ignorieren - ich habe diesen Job wirklich dringend nötig.
»I... in St... Steno b... bin ich ziemlich gut«, stottere ich, während er auf mich zugeht, wobei er seine Erektion umfasst und stolz hin- und herschwenkt, als wäre es die olympische Fackel. »A... aber ich k... k... kann auch mit Diktiergerät arbeiten, wenn Sie das bevorz...«
»Cut, Cut, Cut, verdammte Scheiße, Cut!«, brüllt plötzlich jemand.
Konsterniert schaue ich mich um und sehe, wie ein fetter Kerl mit Pferdeschwanz wütend auf mich zustapft. Wo zum Teufel kommt der plötzlich her? Und die Scheinwerfer - was läuft hier eigentlich ab? Und was machen die ganzen Kameraleute hier?
»Was verzapfst du da für einen Mist, Schätzchen?«, brüllt der Fettsack los. »Davon steht nichts in meinem verdammten Script. Und was hast du eigentlich für beschissene Klamotten an?« Daraufhin grapscht er nach dem Saum meines grauen Wollrocks knapp unterhalb der Knie. »Wo sind die verdammten Netzstrümpfe, das Bustier, die fünfzehn Zentimeter hohen Fickmich-Stilettos, hä?«
»A... aber ich bin wegen der Stelle als Sekretärin hier«, bringe ich mit piepsender Stimme hervor. »Ist das hier nicht die Kanzlei Blinkhorn & Bracken?«
»Nein, du doofe Kuh«, brüllt er mich an. »Das hier ist Büroschlampen Teil III ... Oh Gott, das überlebe ich nicht.« Theatralisch klatscht er sich gegen die Stirn und schreit dann: »Stylist, Visagist, Garderobe, schafft mir diese Braut aus den Augen und bringt sie mir erst wieder, wenn sie wie eine verdammte Büroschlampe aussieht.«
Das war früher mein schlimmster Albtraum. Versehentlich auf dem Set eines Pornos zu landen war noch eine Spur härter als der andere Traum, der mich immer wieder plagte, nämlich mich aus unerfindlichen Gründen nackt und ohne Geld an der Kasse von Safeway wiederzufinden.
Wie ich bereits sagte, war das früher mein schlimmster Albtraum.
An diesem Punkt in meinem Leben ist er von einem weitaus schlimmeren Traum abgelöst worden - vor allem deshalb, weil im Prinzip mein ganzes Leben ein Albtraum ist.
An diesem Punkt in meinem Leben heißt genauer: zehn vor neun an einem Freitagmorgen. Ich bin gerade im Büro eingetroffen. Das Telefon hat bereits geklingelt, bevor ich meinen Mantel ausgezogen habe. Mary. Sie hat ein Talent für Hiobsbotschaften, die so erwünscht sind wie ein fetter Pickel (und zwar ein richtig fies entzündeter Pickel auf der Nasenspitze, ausgerechnet an dem Tag, an dem ich im Finale der Miss-World-Wahlen Großbritannien
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