Das Matrazenhaus
Sekunden, bis er es erkannte. »Darf ich vorstellen – Isabella«, sagte Charlotte. »Das Schulgespenst«, sagte Kovacs. Kartoffelsack, Schulgespenst – er könne sowas von grob sein. Das Schulgespenst grinste.
Was eigentlich sein Kratzer mache, fragte Marlene, setzte sich neben ihn und nahm einen Schluck von seinem Bier. Kovacs gab keine Antwort. »Weißt du, was das Schlimmste ist?«, sagte er, »dass man keine Ahnung hat. Von nichts. Und dann sitzt du da und fragst dich, wann du begonnen hast, die Dinge zu übersehen. Am Ende merkst du, dass du von Anfang an nicht dabei warst. Dann baust du dir eine Geschichte, irgendeine, und versuchst dir vorzustellen, wie es gewesen sein muss.«
Sie verstehe im Moment gar nichts, sagte Marlene, und Kovacs sagte, das sei kein Problem.
Er saß da, die Hände am Glas, und nippte ab und zu von seinem Bier. Neben ihm zwitscherten zwei Mädchen, eines mit einer grünen Irokesenfrisur und eines, das nicht zur Schule ging. Marlene wartete auf ihren Kaffee und war still. Vorn auf der Brüstung saß ein Gimpelmännchen und bearbeitete etwas mit dem Schnabel, einen Kuchenrest oder einen Kern.
Er stellte sich vor, wie dieses Mädchen im Flugzeug saß und aus dem Fenster blickte, wie es Orangensaft trank und die Bordzeitschriften las. Er stellte sich vor, wie es immer wieder den Reisepass und die Bordkarte betrachtete und wie es mit sich zufrieden war, weil es die ganze Zeit über angeschnallt geblieben war. Dann stellte er sich vor, wie es erstmals die Stadt sah und wie es Dabhol sagte, Dabhol, als müsse es ihr einen neuen Namen geben. Am Ende stellte er sich vor, wie es mit dem Bus in die Stadt hineinfuhr und wie der Bus anhielt, um es aussteigen zu lassen, und wie es das Stück bis zum Strand zu Fuß ging.
»Woran denkst du?«, fragte Marlene.
»Warum?«
»Du schaust so komisch.«
»An einen Pelikan«, sagte er.
Paulus Hochgatterer
Paulus Hochgatterer, geboren 1961 in Amstetten/Niederösterreich, lebt als Schriftsteller und Kinderpsychiater in Wien. Diverse Preise und Auszeichnungen, zuletzt Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien. Bei Deuticke erschienen bisher: Über die Chirurgie (Roman, 1993, Neuauflage 2005), Die Nystenische Regel (Erzählungen, 1995), Wildwasser (Erzählung, 1997), Caretta caretta (Roman, 1999), Über Raben (Roman, 2002) und Eine kurze Geschichte vom Fliegenfischen (Erzählung, 2003).
Daten, Fakten, Jahreszahlen
1961 in Amstetten/Niederösterreich geboren
1989 Nachwuchsstipendium für Literatur des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst
1991 Förderungspreis des Landes Niederösterreich für Literatur
1994 Otto-Stoessl-Preis für Erzählungen der Otto-Stoessl-Stiftung Graz
1995 Hans-Weigel-Literaturstipendium des Landes Niederösterreich
1997 Buchprämie des Bundeskanzleramts
1998/99 Projektstipendium des Bundeskanzleramts für Literatur
1998 Förderungspreis für Literatur des Bundeskanzleramts
1998 Jugendbuchpreis der Jury der Jungen Leser für Wildwasser
2000 Österreichischer Jugendbuchpreis für Caretta caretta
2001 Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien
Bibliographie
Im Deuticke Verlag sind erschienen:
1993 Über die Chirurgie. Roman (Neuauflage 2005)
1995 Die Nystenische Regel. Erzählungen
1997 Wildwasser. Erzählung
1999 Caretta caretta. Roman
2002 Über Raben. Roman
2003 Eine kurze Geschichte vom Fliegenfischen. Erzählung
2006 Die Süße des Lebens. Roman
Impressum
eBook ISBN 978-3-552-06134-7
Alle Rechte vorbehalten
© Deuticke im Paul Zsolnay Verlag Wien 2010
Satz: Eva Kaltenbrunner-Dorfinger, Wien
www.hanser-literaturverlage.de
Datenkonvertierung eBook:
Kreutzfeldt digital, Hamburg
ebook Erstellung - April 2010 - TUX
Ende
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