Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
Augen auf.
»Wir haben uns für die rechte Schulter entschieden, da ich ja schon auf links umgelernt hatte.«
»Du Spinner. Wie kannst du kaltblütig deine eigene Erschießung planen?«
»Liebling, was hätten wir sonst tun sollen? Wir mussten ihn von dir fernhalten und einen Weg finden, die Sache zu klären, ohne ihm zu schaden, andere Leute mit einzubeziehen oder ihn für den Rest seines elenden Lebens einzusperren.«
»Und du warst bereit, dafür dein Leben aufs Spiel zu setzen?«
»Es war die letzte Hoffnung für den Armen. Und indem wir uns selbst gerettet haben, haben wir ihn ins Verderben laufen lassen.«
»Es ist nicht deine Schuld, Julian, er hat es selbst getan. Ich habe sein Gesicht gesehen. Er wollte sterben und brauchte einen Grund dafür. Nimm das bloß nicht auf deine Kappe.«
»Ich habe Geoff gebeten, ihm nachzulaufen, aber der Dummkopf hat sich zu große Sorgen um mich gemacht …«
»O mein Gott.« Ich musste die Tränen zurückdrängen. »Du hast dein Leben für ihn riskiert und dich selbst verletzt.«
»Das spielt keine Rolle, Kate. Verglichen mit deiner Sicherheit ist alles unwichtig.« Er hielt inne und streichelte mein Haar. »Du hast das viel größere Opfer gebracht. Dich in die Vergangenheit schicken zu lassen war unbeschreiblich mutig.«
»Ich war nicht mutig. Ich habe einfach nicht an die Folgen gedacht.«
»Und war das nicht mutig?«
»Nein. Das Schwerste kam erst später. Mich am Bahnhof von dir zu verabschieden und dich gehen zu lassen.«
»Weißt du nun, warum es für mich nie nötig war, dass du es aussprichst? Ich hatte deine Liebe bereits erfahren. Sie hat mich in ehrfürchtiges Staunen versetzt, und ich habe mich gefragt, was ich nur tun kann, um sie zu verdienen.«
»Wie konnte ich einfach nur ich liebe dich sagen? Es war nicht genug. Außerdem kannst du es ohnehin besser als ich.«
Er räusperte sich. »Das war doch gerade ein wunderbarer Versuch und sehr wirksam.«
»Gut, dann schreibe ich es auf und lese es dir jeden Tag vor.«
Ich spürte, wie ein Lachen in ihm aufstieg.
»Was ist?«, fragte ich leise.
»Ich habe nur an jene Nacht im Wochenendhaus gedacht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es war, dich nach all der Zeit wieder in den Armen zu halten. Nach den sehnsüchtigen schlaflosen Nächten, in denen ich mir unsere Nacht in Amiens in allen Einzelheiten ins Gedächtnis gerufen habe.«
»Selber schuld, wenn du zwölf Jahre als Mönch verbracht hast. Ich war erst dreizehn, als Hollander dich zurückgeholt hat. Ich hätte es nie erfahren.«
»Katherine Ashford«, sagte Julian scheinbar entsetzt und schob mich ein Stück weg, um mich anzusehen. »Willst du etwa andeuten, ich hätte dich betrügen sollen?«
»Nun, es war eine lange Zeit ohne Sex. Und du hättest mich eigentlich nicht richtig betrogen, weil ich ja nicht einmal wusste, dass es dich gab.«
»Kate, wie hätte ich eine andere Frau auch nur ansehen können, wissend, dass du irgendwo auf dieser Welt warst und ich dich nur zu finden brauchte?« Er klang ehrlich empört.
»Zwölf Jahre sind eine lange Zeit. Und viele schöne Frauen würden alles dafür tun, um dich ins Bett zu kriegen, Julian. Ich hätte Verständnis dafür.«
»Ich hoffe, das ist nur wieder eine deiner frechen Bemerkungen.«
»Natürlich stelle ich es mir nur ungern vor. Aber dann hätten wir wenigstens Gleichstand.«
»Das war etwas anderes. Du kanntest mich nicht und warst nicht mit mir verheiratet.«
»Du auch nicht mit mir.«
»Doch, in meinem Herzen. Habe ich dir nicht eigenhändig den Ring an den Finger gesteckt und das mit einem Kuss besiegelt? Kate, in all den langen einsamen Jahren wollte ich nur meine Frau zurück. Meine Kate. Und als ich in den Konferenzraum kam und dich erkannte …«
»Nach zwölf Jahren? Auf den ersten Blick?«
»Nun, ich war nicht absolut sicher«, gab er zu, »aber ich wollte es herausfinden. Also habe ich mich auf die Suche nach deinem Schreibtisch gemacht. Und da warst du. Mit dem verdammten Gummiband im Haar und deinen außergewöhnlich silbrig funkelnden Augen. Und da wusste ich, dass du es warst.«
»Ich habe die Welt nicht mehr verstanden. Der große Julian Laurence macht mich an.« Lachend rieb ich die Nase an seinem Kragen und atmete tief ein. »Du hättest es mir wenigstens verraten und mich davor warnen können, in die Vergangenheit zurückzukehren. Warum hast du mir nicht gesagt, dass du mir bereits begegnet bist und dass es nicht funktionieren würde?«
»Und das hätte
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