Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
Europäer womöglich noch nie gehört haben: Tianjin, Shenyang, Hefei, Chengdu, Chongqing, Harbin, Nanjing, Taiyuan …
Welche Kräfte bewegen die Menschen dazu, seit rund 200 Jahren die Welt der natürlichen Zyklen, Ernten, Jahreszeiten, Traditionen zu verlassen? Aus den Hütten in Häuser, aus Dörfern in Siedlungen, aus Städten in gewaltige Siedlungskonglomerate zu ziehen, bisweilen regelrecht zu flüchten? In eine Lebensform, in der auf die meisten Neuankömmlinge zunächst einmal sozialer Abstieg, Entwurzelung, Konkurrenz mit vielen anderen wartet? Welche tieferen Wirkkräfte zeigen sich in diesem Leuchten, mit dem der Planet sein »Anthropozän« signalisiert, das Zeitalter, in dem die menschliche Spezies ein für alle Mal den Planeten umformt?
Löcher im Gewebe
Überfliegt die ISS Nordkorea, erlöschen die Lichter plötzlich. Nur noch einzelne verschwommene Kleckse und ein gelber Schein, die Hauptstadt Pjöngjang, erhellen die planetare Nacht. Nordkorea ist eine Insel der Finsternis in einem Meer elektrischer Zivilisation.
Einen ähnlichen Blackout-Effekt kann man über Somalia beobachten. Die Stadt Mogadischu ist nur ein matter Fleck, mit einigen schwach glimmenden Sprenkeln darin. Hier herrscht die atavistische Nacht. Hier töten und hungern Menschen, sie vegetieren eher, als dass sie ihrem Alltag nachgehen. Sie kämpfen jeden Tag bitter ums Überleben.
Afghanistan. Somalia. Nordkorea. Haiti. Der Kongo. »Failing States« entstehen nicht über Nacht. Die Parameter ihres Scheiterns sind multidimensional, langfristig, kumulativ. Eines kommt zum anderen. Ein gesellschaftliches« System versagt. Ein anderes wird gewaltsam von außen zerstört. Menschen reagieren mit Verzweiflung, die neue Gewalt gebiert. Demütigungen aus der Vergangenheit lagern sich im Kultursystem ab und führen zu immer neuen Runden von angstgetriebener Aggression. Kultursystem, politisches System, ökologisches System scheitern immer aufs Neue. Übergänge misslingen. Stämme werden zerstört, aber das Bauerntum kann sich nicht richtig entwickeln. Staaten zerfallen, weil ihre Existenz von oben verordnet, durch Marionetten erzwungen ist. Die soziale Synthese, aus der sich Fortschritt und Wohlstand
entwickeln, das Funktionieren von Institutionen, Gewaltenteilungen, Arbeitsteilungen, versagt auf allen Ebenen.
Was unsere Astronauten sehen, ist ein Panorama der verschiedenen Stadien und Evolutionsmöglichkeiten der Menschheit, von zwei, womöglich drei Transformationen, die in Wellen über den Planeten laufen – ungleichzeitig und doch mit erstaunlicher Kontinuität. Ist die technische Turbo-Zivilisation, das große Leuchten, nur eine Zuckung, ein temporäres Aufschäumen, wie es der Astrophysiker Stephen Hawking trocken formulierte? »Menschen sind einfach ein chemisch-biologischer Schaum auf der Oberfläche eines typischen Planeten, der einen typischen Stern in den Randbezirken einer typischen Galaxie umkreist.«
Woran erinnert uns dieses leuchtende Schauspiel, das unsere Sendboten in der Umlaufbahn überschauen? An organische Strukturen, das Wachsen von Zellen, die Entwicklung von Nervenfasern, die den Planeten umfassen. Ist das der Anfang von etwas, das weitergehen wird, Tausende, womöglich Millionen Jahre in die Zukunft? Oder sind komplexe technische Zivilisationen zwangsläufig zum Scheitern verurteilt? Und alles wird wieder in der Nacht der Lagerfeuer enden?
2 Wege des Wohlstands
Mitten in den endlosen Wasserwüsten des Pazifik, 3000 Kilometer nordöstlich von Australien, liegt die Insel Nauru. Auf dem Satellitenbild sieht das Eiland, das gerade einmal 21 Quadratkilometer umfasst, wie ein leicht eingedrückter Pfannkuchen aus.
Nauru war bis vor Kurzem das reichste Land der Welt.
Dabei hat die Insel durchaus schwere Zeiten durchgemacht. Sie wurde im Laufe ihrer Geschichte von Fremdmächten regelrecht »durchgereicht«. Zuerst besaßen die Engländer die Hoheit, von 1888 an die Deutschen. Seit 1914 verwalteten die Australier die Insel. Von 1942 bis 1945 war sie von Japan besetzt. Bis zur endgültigen Unabhängigkeit 1968 verwalteten erneut die Australier dieses »Paradies des Vogelkots«.
Vogelkot war es nämlich, der den erstaunlichen Reichtum der Nauruer begründete. Vogelkot, der sich in Tausenden von Jahren in ein wertvolles Mineral verwandelte: Phosphat. 15 Meter dick war die Schicht, die bis vor einigen Jahrzehnten fast die ganze Insel bedeckte. Auf Nauru kam es in nie gekannter Reinheit vor. Phosphat spielt eine
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