Rolf Torring 071 - Matsu der Tiger
1. Kapitel Ein unerklärliches Attentat
„Jetzt kommen wir nach Gulbargha ..."
Das war das letzte, was ich von Rolf hörte, dann brach ein Getöse los, als ginge die Welt unter: Glas klirrte, berstend splitterte Holz, Eisen krachte und stöhnte auf.
Wir wurden durcheinander geworfen, ich prallte hart gegen den langen Engländer, der mir gegenüber saß. Dann neigte sich der Eisenbahnwagen langsam zur Seite. In die gellenden Schreie, die ausklangen, mischten sich die Laute des berstenden Materials. Wieder wurden wir durcheinandergewirbelt. Ich versuchte vergeblich, mich festzuhalten, und fühlte, wie wir immer schneller die steile Böschung hinab rollten — dann erhielt ich einen dröhnenden Schlag gegen den Kopf. Erdrückende Lasten stürzten auf mich. Beim Versuch, mich zu befreien, verlor ich das Bewußtsein.
Undeutlich hörte ich Sprechen, Stöhnen und manchmal einen unterdrückten Schrei. Mit übermäßiger Anstrengung zwang ich die schweren Augenlider hoch, schloß sie erst schnell wieder in der Flut des grellen Lichtes, das in sie fiel, konnte aber nach mehrfachen Versuchen endlich umherblicken.
Ich lag in einem schmalen, eisernen Bett in einem großen Saal. Ungefähr dreißig solcher Betten standen da in zwei Reihen. In jedem lag ein Mensch, still oder stöhnend und wimmernd.
Im Krankenhaus war ich. Jetzt fiel mir das Eisenbahnunglück wieder ein. Kurz vor Gulbargha war es geschehen. Rolf hatte es noch gesagt. Wo war Rolf? War er mit dem Leben davongekommen?
Ich richtete mich auf, wenn auch ein stechender Schmerz dabei meinen Kopf durchzuckte, und stellte mit Freuden fest, daß meine Gliedmaßen unverletzt waren.
Die Kopfwunde — durch vorsichtiges Betasten wurde mir klar, daß mein Kopf dick verbunden war — würde hoffentlich bald heilen. Ich schien glimpflich davongekommen zu sein. Im Nebenbett gewahrte ich Rolf und war beruhigt. Den hageren Engländer, der im Abteil mir gegenüber gesessen hatte, sah ich auf der anderen Seite neben mir.
Pongo hatte in einem anderen Abteil des Zuges gesessen. Ich konnte ihn im Saal nicht entdecken. Rolf richtete sich mühsam auf, nickte mir zu und sagte mit schwacher Stimme:
„Na, Hans, schön, daß du nicht allzu viel abbekommen hast. Mich hat es auch am Kopf erwischt, aber wir haben wohl beide keine allzu großen Wunden. Ich bin schon länger aus der Ohnmacht erwacht und habe gesehen, wie deine Wunde genäht wurde. In einigen Tagen können wir bestimmt weiterfahren. Pongo ist unverletzt, ebenso Maha. Beide sind aus dem Fenster gesprungen, als das Unglück geschah. Natürlich hat sich Pongo hervorragend an den Rettungsarbeiten beteiligt. Die Ärzte erzählten, daß ganz Gulbargha des Lobes voll über ihn ist."
»War ich lange bewußtlos?" erkundigte ich mich. "Die Verwundeten sind schon alle verbunden."
„Drei Stunden hast du gelegen," sagte Rolf ernst. "Wir befürchteten, daß du dir eine schwere Gehirnerschütterung zugezogen haben könntest. Wir haben — unberufen toi, toi, toi — wieder mal Glück im Unglück gehabt."
„Hat es Tote gegeben?"
„Nein, aber Schwerverletzte. Die meisten Reisenden haben Schnitt- und Quetschwunden davongetragen. Der Waggon, in dem wir saßen, ist am schlimmsten betroffen."
„Natürlich, wir müssen ja immer einen gewissen Vorrang einnehmen," sagte ich und versuchte zu lächeln. „Sehr merkwürdig!"
„Allerdings, sehr merkwürdig!" sagte Rolf ernst. „Es gehen schon Gerüchte um, daß es sich bei dem Unglück um ein Attentat auf den Zug gehandelt hat."
„Du ... du meinst, daß es auf uns abgesehen war?" fragte ich erschreckt „Die Zeitungen haben natürlich über unser Abenteuer in Bombay ausführlich berichtet und auch erwähnt, daß wir mit diesem Zug an die Ostküste Vorderindiens fahren wollten. Wer könnte uns so hassen, daß er auch andere Menschen in Gefahr bringt, nur um uns zu vernichten?"
„Wir haben uns sehr viele Freunde, aber auch Feinde geschaffen. Einige sind noch in Freiheit und werden alles versuchen, um sich an uns zu rächen."
„Einen Plan, Rolf, der andere Menschen mit in Lebensgefahr bringt," sagte ich erbittert, „kann nur ein großer Verbrecher fassen, ein Mann, der kaltblütig über Leichen geht Seit wir wieder in Indien sind, haben wir auf Ceylon mit der großen Bande zu tun gehabt, von der sich nur einige Mitglieder gerettet haben, dann entkam
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