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Das Multiversum Omnibus

Das Multiversum Omnibus

Titel: Das Multiversum Omnibus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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nichts außer dem Schlabber, den man ihm einflößte, und spürte kaum das warme Palmöl, mit dem man ihn einrieb –, so gab es doch etwas, das er fühlte: Einen nadelstichartigen Schmerz, der ihn immer dann heimsuchte, wenn er Emmas Gesicht erkannte.
    Bedauern.
    »Was bedauerst du, Malenfant?«
    »Ich bedaure, dass ich sterben muss, ohne den Grund dafür zu kennen.«
    »Du stirbst, weil so ein religiöser Fanatiker dich zu Tode hat prügeln lassen. Das ist der Grund.«
    »Aber wieso der Rote Mond? Wieso das Fermi-Paradoxon?«
    »Malenfant, um Gottes willen, das ist weder der richtige Ort noch die Zeit für …«
    »Emma, lass gut sein. Ich liege hier auf dem Totenbett. Welchen anderen Ort oder welche andere Zeit sollte es für mich noch geben? Dieses verdammte Paradoxon hat mich mein Lebtag umge-trieben. Ich glaubte, das Erscheinen dieses Roten Mondes, des wohl seltsamsten Ereignisses in der Menschheitsgeschichte, seit Josua die Sonne stillstehen ließ, hätte etwas mit dieser Verwerfung im Universum zu tun. Das heißt, ich hoffte, dass es etwas damit zu tun hätte. Aber …«
    »Aber was?«
    »Das war nicht die Auflösung des Paradoxons. Emma, es wurde nur noch mysteriöser. Nemoto hat das sofort erkannt. Nicht nur dass wir plötzlich feststellten, dass wir nur eins von vielen Universen bevölkern, es gibt auch in den anderen Universen keinerlei 537
    Anzeichen von extraterrestrischen Intelligenzen. Das ist ›Fermi in Potenz‹ – als ob nicht nur mit diesem Universum etwas nicht stimmen würde, sondern mit all unseren kosmischen Nachbarn auch nicht …«
    »Malenfant, darauf kommt es jetzt nicht mehr an.«
    »Tut es doch. Emma, finde die Supertypen. Die mit der Lichtorgel am Himmel. Das musst du tun. Frag sie, was, zum Teufel, hier vorgeht. Vielleicht haben sie es verursacht. Den ganzen Zores mit den multiplen Realitäten und dem wandernden Mond. Vielleicht haben sie sogar Fermi verursacht, auf die eine oder andere Art. Du musst das tun, wenn …«
    »Du tot bist? Armer Malenfant. Ich weiß, was dich wirklich be-drückt. Es stört dich nicht, dass die Frage unbeantwortet ist. Es ist die Vorstellung, dass du nicht dabei bist, wenn die Antwort prä-
    sentiert wird. Du hast dich immer für den Nabel von allem gehalten, Malenfant. Du verkraftest die Vorstellung nicht, dass die Welt sich auch ohne dich weiterdreht.«
    »Hat denn nicht jeder diese Einstellung?«
    »Nein, nicht jeder, Malenfant. Und weißt du was? Die Welt wird sich weiterdrehen. Du musst sie nicht retten. Du wirst nicht gebraucht, damit der Raum sich ausdehnt und die Sterne leuchten.
    Wir werden neue Entdeckungen machen, neue Orte besuchen und neue Antworten finden, auch wenn du nicht mehr da bist.«
    »Eine schöne Gutenacht-Geschichte.«
    »Komm schon, Malenfant. Wir sind, was wir sind – du und ich.
    Ich halte es für unwahrscheinlich, dass wir uns jetzt noch ändern sollten.«
    »Stimmt wohl.«
538
Schatten:
    Sie huschte durch den Wald und trat dabei auf Wurzeln und Steine, um totes Laub und Unterholz auszuweichen. Sie bewegte sich lautlos bis aufs Rascheln der vom Körper gestreiften Blätter. Die Haare standen ihr zu Berge, und die Pilzmaske schien vor Entschlossenheit und Stärke zu glühen.
    Sie wurde von drei Männern begleitet. Sie waren angespannt und ängstlich.
    Schatten drehte sich zu den Männern um und grinste breit. Sie wusste, dass die Zähne unter dem unbehaarten Vorsprung an der Stirn und den Wangen perlweiß schimmerten. Sie erwiderten das Grinsen und schlugen sich gegenseitig aufmunternd auf den Rü-
    cken. Der kleinste und jüngste, Zitter, lutschte abwesend am Mit-telfinger der rechten Hand; er war aber nur noch ein Stumpf, denn Schatten hatte ihm die ersten beiden Glieder abgebissen.
    Schatten setzte sich wieder in Bewegung, und die Männer folgten ihr.
    Plötzlich erstarrte sie. Sie hatte das leise Wimmern eines Kinds gehört – und schon wieder.
    Sie stürmte brüllend vorwärts und brach durch ein kleines Ge-büsch.
    Eine Frau und ihr Kind saßen auf den unteren Ästen eines Baumes. Sie hatten Früchte gegessen; der Waldboden unter dem Baum war mit gelben Schalen übersät. Die Frau wurde Lächeln genannt.
    Sie war eine Schwester von Termite, also eine Tante von Schatten.
    Schatten wusste das nicht – und wenn sie es gewusst hätte, wäre es ihr auch egal gewesen.
    Lächeln sprang vom Baum herunter. Sie rollte sich auf dem Waldboden ab, stand auf und wandte sich zur Flucht. Aber das kleine Kind war noch auf dem Baum. Es

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