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Das Multiversum Omnibus

Das Multiversum Omnibus

Titel: Das Multiversum Omnibus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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schönen Samstagmorgen im Sommer, wo der Tag zu lang war, als dass man sich sein Ende vorzustellen vermochte, die Welt zu spannend war, als dass man sie analysieren hätte können.
    Fühlte man sich so als Neandertaler? Wenn ja, war das – beneidenswert.
581
    Sie hatten den Grat des Kraterrand-Hügels erreicht. Sie gingen in einer Linie und Hand in Hand weiter.
    Diese Mauer aus Luft zog sich vor ihr durchs Land. Sie war ein so breiter Zylinder, dass er flach anmutete. Sie fühlte einen Windhauch, der ihr über die Wange fächelte und durchs Haar fuhr, das erste Prickeln von Staub auf der Haut. Sie ließ den Kopf hängen, verbarg das markante Homo sap -Kinn und ging stetig weiter. Sie konzentrierte sich auf die Sonne, die Textur des Bodens, den metallischen Geruch der staubigen Luft.
    Auf alles, nur nicht auf den Wind.
    Sie drangen in den Staub ein. Sie ging in gleichmäßigem Tempo zwischen ihren Ham-Freunden und wurde dabei in blutrotes Licht getaucht. Sie war zehn Schritte im Staub. Dann fünfzehn, womit sie den Rekord einstellte. Zwanzig, einundzwanzig, zweiundzwan-zig …
    Vielleicht lag es am Zählen. Hams zählten nicht.
    Der Wind traf sie mit der Wucht eines Dampfhammers.
    Sie wurde von den Hams weggerissen. Dann wurde sie emporgehoben, auf den Rücken gedreht und wieder auf den Boden geworfen. Das Licht trübte sich zu einem düsteren Venus-Rot ein. Plötzlich sah sie Julia und Joshua nicht mehr, nur noch einen horizontalen Hagel aus Staubpartikeln und Gesteinsbrocken, der aus der Unendlichkeit zu kommen schien, als ob sie in einen Tunnel schaute. Wenn sie den Kopf in den Wind drehte, vermochte sie kaum zu atmen.
    Ein neuer Windstoß warf sie um, und sie zappelte am Boden.
    Und dann wurde sie in die Luft emporgehoben und ruderte mit den Gliedmaßen wie eine Kuh, die von einem Tornado erfasst mitgerissen wurde. Sie war in eine Wolke aus wirbelndem Staub gehüllt und vermochte nicht einmal zu sagen, wo oben war. Aber sie wusste, dass sie fiel.
582
    Sie schrie auf, aber der Schrei wurde ihr von den Lippen gerissen. »Malenfant …«
    Sie lag auf dem Rücken. So viel spürte sie. Aber es ging kein Wind: Keine heißen, heftigen Böen im Gesicht, keine pieksenden Staubkörnchen auf der nackten Haut. Nichts außer einem ge-dämpften Heulen.
    Sie schlug die Augen auf.
    Sie schaute in einen dunklen Tunnel. Es war, als erblicke sie aus der Tiefe eines Brunnens einen runden Ausschnitt des leicht be-wölkten blauen Himmels. Das Licht war seltsam, gräulich-rot, als ob sie sich im Schatten befand. War sie wieder in einer Höhle? Sie versuchte sich aufzusetzen. Ein Schmerz schoss ihr durch Rücken und Bauch.
    Ein Gesicht dräute über ihr; es hing als Silhouette vorm hellen Ausschnitt des Himmels und wurde vom diffusen grauen Licht angestrahlt. »Keine Sorge. Wir glauben nicht, dass Sie sich etwas gebrochen haben. Aber Sie haben Schnittwunden, Prellungen und sind arg durchgeschüttelt worden. Sie haben vielleicht eine Gehirn-erschütterung.« Das Gesicht war schmal und wurde von einem wirren schwarzen Haarschopf gekrönt. Emma starrte auf ein seltsam vorspringendes Kinn, schwach ausgeprägte Wangenknochen und einen absurden ballonartigen Kopf mit ein paar Haarbüscheln. Es war das Gesicht einer Frau.
    Das Bild wurde schärfer. Eine menschliche Frau.
    Die Frau runzelte die Stirn. »Verstehen Sie mich?«
    Emma wollte etwas sagen und merkte, dass sie den Mund voll Staub hatte. Sie hustete, spuckte aus und nahm einen neuen Anlauf. »Ja.«
    »Sie müssen Emma Malenfant sein.«
    »Stoney«, korrigierte Emma automatisch. »Als ob das jetzt noch einen Unterschied machen würde.« Sie sah, dass die Frau einen 583
    ausgeblichenen und oft geflickten blauen Overall mit einem NA-SA-Logo auf der Brust trug. »Und Sie sind Nemoto. Malenfants Begleiterin.«
    Nemoto musterte sie, und erst in diesem Moment fielen Emma die asiatischen Gesichtszüge auf. Eine Lektion, sagte sie sich. Verglichen mit der Distanz zwischen Menschen und anderen Hominiden ist die Kluft zwischen unseren Rassen wirklich verschwindend gering.
    »Malenfant ist tot«, sagte sie zögernd.
    »Es tut mir leid.«
    Sie glaubte zu sehen, dass das bisschen Hoffnung in Nemotos sich verengenden Augen erstarb.
    »Ich weiß nicht, wie gut Sie ihn kannten. Ich …«
    »Wir haben viel zu bereden, Emma Stoney.«
    »Ja. Ja, das haben wir.«
    Nemoto schob den Arm unter Emmas Rücken und half ihr, sich aufzusetzen. Alles funktionierte, mehr oder weniger. Aber Bauch und Rücken fühlten

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