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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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entschuldigt, das ist nur Gewohnheit«, rechtfertigte er sich ein wenig verlegen. »Unten in der Stadt nennen sich alle Sohn oder Tochter, Bruder oder Schwester, je nach dem Altersunterschied. Das findet Ihr seltsam, nicht wahr? Bei uns ist es aber so Brauch. Bei einem Altersunterschied von über fünfzehn Jahren ist man Sohn und |359| Vater oder Tochter und Mutter, sonst Brüder oder Schwestern. Ich weiß, es ist wunderlich, anfangs ist es einem peinlich, doch am Ende erweist es sich als sehr bequem. Die Stadt ist nicht groß, und alles funktioniert anders als in Florenz, welches ihr sicherlich sehr gut kennt.«

DISKURS XLIX
    Darin man erfährt, wie das Leben auf der Insel, die nicht Nusquama heißt, wirklich aussieht.
    Er erklärte sodann, dass die Stadt keineswegs von Verrückten, sondern von einer weisen, aufgeklärten Regierung gelenkt werde. An der Spitze standen ein Bürgermeister und ein Triumvirat, dem jeweils die militärischen, wissenschaftlich-künstlerischen und die Angelegenheiten der Fortpflanzung oblagen. Nummer Drei habe sicherlich Einzelheiten dessen benutzt, was wir jetzt hörten, um uns ihre Lügenmärchen unterzujubeln.
    Schoppe grunzte skeptisch, doch wir waren alle zu sehr darauf konzentriert, uns kein Wort dieser Erklärung entgehen zu lassen, die einen in der Hoffnung auf Rettung von der Insel, die anderen mit Blick auf einen Hinweis, der zu Philos Ptetès führen konnte.
    »Der Fortpflanzung?«, fragte Pasqualini.
    »Nun, der Liebe, nennt es wie Ihr wollt. Natürlich will auf diesem Gebiet niemand Regeln vorschreiben, das wäre ja verrückt. Die Freiheit hat Vorrang! Es bedeutet lediglich Paarung nicht vor neunzehn Jahren bei der Frau, einundzwanzig beim Mann, wie von den Behörden festgelegt. Diese sorgen auch dafür, Paare so zusammenzustellen, dass die Rasse veredelt wird. Sie empfehlen sogar die besten Zeiten für eine Paarung, stellt Euch das vor! Sterile Frauen gehören natürlich der Gemeinschaft. Kinder werden mit zwei Jahren Lehrern zur Erziehung übergeben, eine große Erleichterung für die Mütter. Wenn der Großherzog dieses wunderbare System doch in der ganzen Toskana einrichten würde, angefangen mit Florenz! Kinder machen bei uns viel Gymnastik mit nackten Füßen und bloßem Kopf. Mit sieben Jahren beginnen sie Naturwissenschaften zu lernen, dann Mathematik, Medizin |360| und andere Fächer. Namen gibt ihnen der Bürgermeister, je nach ihrem Wesen und ihren Neigungen. Der Nachname hängt von dem Beruf ab, den sie als Erwachsene ergreifen. Schwere Arbeiten werden meist Männern zugeteilt, Frauen solche, die sitzend oder stehend geleistet werden können. Musizieren ist nur Frauen und Kindern erlaubt. Und haltet das nicht für Schrullen. Die Insel ist klein, die Winter sind lang, die Schwierigkeiten zahlreich. Die Ressourcen werden sparsam verteilt, aber an alle, denn Eigentum ist die Wurzel allen Übels.«
    »Und die Korsaren? Haben sie Euch nie ausgeplündert oder bedroht?«, fragte Hardouin.
    »Was sollen die Korsaren bei uns schon finden? Hier ist alles rationiert, reiche Beute kann keiner machen. Die Mahlzeiten werden gemeinsam eingenommen, die Speisen sind frugal: Fleisch, Butter, Honig, Käse, Feigen und Inselkräuter. Unsere Köche sind sehr geschickt darin, Rezepte je nach der Jahreszeit zu erfinden. Reiner, nicht mit Wasser vermischter Wein ist nur den über Fünfzigjährigen gestattet. Bei Tisch bedienen Kinder. Niemandem fehlt es am Nötigsten, und keiner wagt es, die Gesetze zu übertreten, welche eisern, aber verständlich sind. Alle Bürger über zwanzig nehmen an den Versammlungen teil und können ihre Anliegen vorbringen. Niemand darf zu lange im Gefängnis bleiben. Strafen richten sich nach dem Prinzip des Talion: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Auch das ist Freiheit: niemand soll Zeit und Mühe aufwenden, um seine Rechte durchzusetzen, denn sie sind von Anfang an klar definiert. Herren und Knechte gibt es nicht, alle Bürger lernen dieselben Künste, die alle gleich bedeutend sind. Was kann ich Euch noch erzählen? Ach ja: alle tragen die gleiche Bekleidung, nur bei den Frauen reicht das Hemd bis zu den Knien. Tagsüber und in der Stadt trägt man weiße Kleidung, nachts oder außerhalb der Stadt dagegen rote. Nur Schwarz ist verboten, weil es niemandem gefällt. Die Kleider werden in jeder Jahreszeit gewechselt und einmal im Monat gewaschen. Wenn ihr die schönen Frisuren sehen könntet, die in der Stadt getragen werden! Die Frauen haben lange Haare, oben am

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