Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege
beibehalten will, braucht sie neue Mechanismen der Unterdrückung. Von der Demokratie wird nur noch eine leere Hülle bleiben. Die Demonstranten wissen das instinktiv, deswegen gehen sie auf die Straße. Die bestimmende Mitte hat noch nicht verstanden, dass die Zeichen auf Sturm stehen.
Ich bewundere all die jungen Menschen, die an den verschiedensten Orten der Welt Straßen und Plätze besetzen. Mit Witz, Schwung und Elan fordern sie ihre Regierungen heraus. Doch die sturschädligen Banker und die herrschenden Politiker unserer Welt lassen sich nicht ohne Weiteres zur Seite drängen. Obama, der oberste Vertreter der alten Garde, wird wahrscheinlich wiedergewählt, nicht weil er so populär wäre, sondern weil die Republikaner unfähig sind, einen aussichtsreichen Konkurrenten aufzustellen.
Wie steht es um Obamas Außenpolitik? Aus dem Irak musste er sich zurückzuziehen, aus einem, wie er weiter betont, »ehrenvollen« Krieg. Doch in Afghanistan steckt er weiter fest. Im Januar 2012 griffen afghanische Guerillas erneut den riesigen US -Luftwaffenstützpunkt Kandahar an. General John Allen, der amerikanische Kommandeur der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF , gab danach ein seltsam anmutendes Statement ab: »Mullah Omar hat offenbar die Kontrolle über die Taliban-Rebellen verloren, sonst würde er sich von diesen Überfällen distanzieren und seine Leute sofort anweisen, keine unschuldigen afghanischen Zivilisten mehr anzugreifen.«
Der gleiche Mullah Omar, der seit den Anschlägen vom 11. September auf der Fahndungsliste der Amerikaner ganz weit oben steht? Doch die Aussage ist nur dann kryptisch, wenn man nicht weiß, dass Omars Taliban-Fraktion schon seit Jahren mit Vertretern Washingtons verhandelt. Zu einer Einigung ist es bisher allerdings noch nicht gekommen.
Der Kandahar-Angriff mag von einer anderen Taliban-Fraktion ausgeführt worden sein, einer Fraktion, die Verhandlungen mit den Besatzern grundsätzlich ablehnt. Vielleicht war der Angriff aber auch nur ein Schuss vor den Bug eines müden Imperiums. All die freudigen Medienberichte über Fortschritte in Afghanistan entsprangen reinem Wunschdenken. Deswegen mussten die USA mit den Rebellen verhandeln, auch wenn sie damit die Autorität ihrer Marionette Karsai noch weiter untergruben.
Verschiedene Fraktionen der Neo-Taliban bereiten sich seit mindestens zwei Jahren darauf vor, nach dem Abzug der ISAF -Truppen die Macht im Land zu übernehmen. Ihre Angriffe auf Sicherheitseinrichtungen, Außenposten und Hubschrauber mit hochrangigen NATO -Geheimdienstleuten zeigen, in welchem Ausmaß die Rebellen die »loyalen« afghanischen Truppen der ISAF infiltriert haben. Trotz allen Unterschieden in der Ideologie führen die Rebellen auf ganz ähnliche Weise Untergrundkampf wie die Widerständler des Zweiten Weltkriegs, wie die Vietnamesen unter Giap, die Chinesen unter Mao und die Kubaner unter Che Guevara.
Einige Monate nach seinem Amtsantritt drückte Obama eine arrogante Eskalation des Krieges durch. Seine Vasallen von der EU unterstützten ihn, obwohl einige seiner eigenen Generale massive Kritik äußerten, unter anderen Karl Eikenberry, der Botschafter in Kabul. Obamas Parole lautete: »Wenn die Taliban die Macht im Land übernehmen oder nur ungestört agieren dürfen, wird das Land wieder zur Basis für Terroristen, die möglichst viele Amerikaner umbringen wollen … Die Afghanen würden erneut von einer Taliban-Regierung gnadenlos unterjocht werden, das Land geriete in internationale Isolation, die Wirtschaft würde kollabieren und die Menschenrechtslage sich katastrophal verschlechtern, insbesondere für Frauen und Mädchen. Unter einer Taliban-Regierung würden die Terroristen von al- Qaida in Scharen zurückkommen, Afghanistan würde in Gewalt versinken.«
Doch die aktuellen Zustände sind davon ohnehin nicht mehr weit entfernt, gerade hinsichtlich der Lage der Frauen. Wichtiger noch, wegen der skrupellosen Angriffe auf Dörfer und der gezielten Schläge gegen Taliban-Führer stieg die Zahl ziviler Opfer stark an – was es den Rebellen erleichterte, neue Kämpfer zu rekrutieren.
Hinzu kommt noch, dass die regionalen Kräfte, die bei der Beseitigung des Taliban-Regimes geholfen hatten (wenn auch teilweise widerwillig, wie im Fall des pakistanischen Geheimdienstes ISI ), inzwischen ihre Unterstützung eingestellt haben. Iran hat sich in der Atomfrage mit den USA überworfen, die Nordallianz bröckelt, weil ihre Anführer viel zu
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