Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege
beschäftigt damit sind, sich ebenso zu bereichern wie die Familie Karsai. Und das pakistanische Militär hat den Kontakt zu den Taliban ohnehin nie abgebrochen.
Auch wenn kürzlich große Lithiumvorkommen in Afghanistan entdeckt wurden, fällt die Begründung, warum die NATO -Truppen weiter im Land bleiben sollten, immer schwerer. Die Besatzerkoalition aus 42 Nationen kann nichts mehr ausrichten, ihre Marionette in Kabul ist einfach nur noch peinlich. Und rasche Wahlen zur Lösung aller Probleme, für teures Geld von westlichen PR -Firmen organisiert, funktionieren auch nicht mehr. Früher oder später bleibt nur eine Option: Abzug.
Wenigstens hat sich die Lage an einer anderen Front beruhigt: Der arabische Frühling, der Obama & Co. anfangs so überrascht hatte, kam ganz gut unter Kontrolle. Die moderat islamistischen Wahlsieger in Tunesien und Ägypten sind vollauf bereit, mit Washington zu kooperieren. Die Armeen beider Länder tun das ohnehin bereits. Die amerikanisch-französische Invasion Libyens war ein sorgfältig geplanter Zug, um den Westen wieder im Zentrum der arabischen Welt zu verankern und den nervös gewordenen traditionellen Verbündeten in der Region die militärische Macht des Westens zu demonstrieren. 1 Das Einknicken der EU gegenüber dem Druck aus Israel und Amerika in der Iran-Frage zeigt: Wenn Washington grünes Licht für die Bombardierung des Landes gäbe, würde in Europa keine Regierung protestieren. Obamas Apologeten behaupten, er sei ein Gefangener der Menschen rechts von ihm. Selbst, wenn das wahr sein sollte, könnte man nur sagen, dass er ein glücklicher, williger Gefangener zu sein scheint.
Tariq Ali
London, Februar 2012
1 Hugh Roberts’ exzellenter Überblick über das libysche Abenteuer, »Who Said Gaddhafi Had to Go?« ( London Review of Books , 17. November 2011) beschreibt und entlarvt die plumpe Propaganda des Westens und seiner Verbündeten beim Angriff auf Libyen.
Nicht der Präsident kann helfen oder schaden, nur das System. Und dieses System herrscht nicht nur über uns Amerikaner, es beherrscht die Welt. Wenn sich heutzutage ein Mann um die amerikanische Präsidentschaft bewirbt, muss er auch in anderen amerikanisch dominierten Erdteilen akzeptabel sein. Ein einziger Umstand machte [Lyndon B. Johnson] für die Welt akzeptabel: Die klugen Kapitalisten, die klugen Imperialisten wussten, dass Menschen nur dann auf den Fuchs zulaufen, wenn man ihnen mit einem Wolf droht. Deshalb schufen sie eine unerträgliche Alternative.
Malcolm X, Paris, am 23. November 1964
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Sheriff der ganzen Welt
Ich kenne »dich und deinen Hund und deinen Busch«.
Shakespeare: Der Sturm (Deutsch von August Wilhelm von Schlegel)
»und deine SEALs!« (Anonym, 2011)
Im imperialen Amerika sind Innen- und Außenpolitik wei ter eng miteinander verknüpft. 96 Man muss sich nur die Kampagne zur Wiederwahl des Präsidenten betrachten, die am 2. Mai 2011 mit der Ermordung von Osama bin Laden ernsthaft begann. Spezialtruppen hatten bin Laden in Ab botabad, einem malerischen nordpakistanischen Städtchen am Fuß des Himalaya exekutiert. Die Rache an dem meistgesuchten Verbrecher wurde zum perfekten Startschuss für Obamas Wahlkampf. Ein Präsident in Freizeitkleidung sah sich die live per Satellit übertragene Operation im Kreis seiner Außenministerin und einiger Militärs an. Eine Szene wie aus einem Hollywoodfilm (könnte hochspannend in Szene gesetzt werden, zum Beispiel von Katherine Bigelow, der Regisseurin von Tödliches Kommando – The Hurt Locker ). Im East Room standen die Kameras schon bereit, und kaum war die Tat vollbracht, schickte Obama eine Nachricht in die Welt hinaus. 56,5 Millionen Amerikaner sahen ihm zu – nie hatte er bessere Einschaltquoten gehabt. Was für eine herrliche Gelegenheit, den Wahlkampf für 2012 zu beginnen! Jetzt musste Obama nur noch hoffen, dass die Wirtschaft nicht völlig zusammenbrach. Ein oft als arrogant, herablassend und beratungsresistent kritisierter Präsident war plötzlich zum perfekten Anführer einer Nation im Krieg geworden.
Grandios salbungsvoll stahl er die 9/11-Bilder seines Vorgängers und überschrieb sie mit seinen eigenen: »Und doch wissen wir, dass die Welt die schlimmsten Bilder nie gesehen hat. Den leeren Stuhl am Familientisch. Kinder, die ohne Mutter oder Vater aufwachsen mussten. Eltern, die nie die Umarmung ihres Kindes spüren würden. Fast 3000 Bürger sind verschwunden und haben ein klaffendes Loch in unserem Herzen
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