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Das Orakel von Antara

Das Orakel von Antara

Titel: Das Orakel von Antara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Galen
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Erstes Kapitel
     
     
    Der Schein der beiden spärlich züngelnden Lagerfeuer warf düstere, unruhige Schatten über die Schar der erbärmlichen Gestalten, die eng aneinander ge presst versuchten, ein wenig Wärme und Schutz vor der schneidenden Kälte zu erhaschen. Doch der eisige Wind, der die Schneeflocken in dichtem Wirbel herantrieb, entriss den Flammen die lebenspendende Wärme, sog sie auf und erstickte fast völlig ihren tröstlichen Schein.
    Sehnsüchtig flogen die Blicke der frierenden Menschen zu den fünf hell l odernden Feuern hinüber, an denen es sich ihre Peiniger gemütlich gemacht hatten, warm in die erbeuteten Pelze gehüllt, geschützt vor dem Wind durch die dunkle Masse der Pferdeleiber. Das dicke, zottige Fell der Tiere hielt die Kälte ab, und der beißende Wind und das Schneetreiben schien sie nicht zu stören. Trotzdem waren die Pferde unruhig. Der Geruch der Krieger an den beiden großen Wachfeuern war ihnen fremd, und die Sieger hatten Mühe gehabt, die erbeuteten Rosse gefügig zu machen.
    Auch mit deren Herren, von denen sie nur noch wenige in die Gefangenschaft führen konnten, waren sie nur unter hohen Verlusten fertig geworden. Die Männer hatten nicht aufgehört zu kämpfen, bis sie todwund zu Boden sa nken, und ihre Frauen waren von eigener Hand umgekommen, nachdem sie ihren Kindern selbst den Tod gegeben hatten, um ihnen das grausame Schicksal der Sklaverei im fernen Moradon zu ersparen.
    Nur acht Männer und neunzehn Frauen der Antaren kauerten an den beiden kleinen Fe uern, doch von den Männern waren drei schwer verletzt und würden den Weg nach Moradon wohl nicht überstehen. Auch zwei Kinder führten die Antaren mit sich, Säuglinge noch, die zwei der Frauen unter ihren Lumpen dicht an sich gepresst hielten, um sie vor dem eisigen Wind zu schützen.
     
    Flüsternd beugte sich nun einer der Antaren zu der neben ihm sitzenden Frau. „Gib mir den Knaben“, hauchte er. „Wenn die Moradonen schlafen und nur noch wenige auf Wache stehen, werde ich versuchen zu entfliehen. Du weißt, entdecken sie, dass er der Sohn von Waskor ist, werden sie ihn töten. Doch dann ist unsere Hoffnung auf Vergeltung und Befreiung für immer erloschen.“
     
    „Aber wie willst du das schaffen?“ wisperte die Frau zurück. „Die Krieger werden uns nicht aus den Augen lassen, und außerdem bist du verwundet. Wie willst du ohne Pferd entfliehen? Und dann - wohin willst du fliehen? Auch die Nachbarstämme unseres Volkes sind von den Moradonen aufgerieben worden. Es kann Wochen dauern, bis du auf bewohnte Siedlungen stößt. Wie willst du dich und den Knaben jetzt in dieser Zeit ernähren?“
     
    „Ich werde nicht ohne Pferd fliehen!“ antwortete der Mann. „Wenn es mir gelingt, ungesehen aus dem Lager zu kommen, werde ich meinem Pferd pfeifen. Carn ist ein kluges Tier. Vielleicht merkt niemand, dass er sich entfernt. Sie haben die Tiere noch nicht abgesattelt und sie auch nicht angebunden. Ich sah, dass an Carns Sattel noch ein Beutel mit Verpflegung hängt. Das muss reichen, bis ich den Knaben in Sicherheit gebracht habe. Ich werde es schon schaffen!“
     
    „Du hast Recht, Phyrras!“ flüsterte die Frau. „Und du musst es schaffen! Die Tätowierung auf der Brust des Kindes wird sich nicht lange verheimlichen lassen. In der Hauptstadt Blooria würde man bald merken, wessen Sohn das ist.“
     
    „Ruhe, ihr Gesindel!“ brüllte da der Anführer der Moradonen. „Wenn ich noch einen Laut von euch höre, lasse ich euch alle peitschen!“
     
    Zähneknirschend schwiegen die Gefangenen. Doch da sie Phyrras' Worte vernommen hatten, rührten sie sich nicht mehr, um seinen Plan nicht zu gefährden.
    In Decken und Pelze vermummt lagen die Moradonen rund um die Feuer, die von den Wachen hie r und da mit Holz versorgt wurden, damit sie nicht völlig niederbrannten. Die spärlichen Flämmchen bei den antarischen Gefangenen waren schon lange erloschen, und über den dicht aneinandergedrängten Gestalten lag Dunkelheit und eine dünne Schneedecke.
    Die Moradonen hatten nur zwei Wachen aufgestellt, denn es schien ihnen völlig unmö glich, dass einer der Gefangenen ohne Ausrüstung und Verpflegung in die eisige Wildnis entfliehen würde. Ja, weiter südlich würde man mehr auf der Hut sein müssen, doch hier war der unbarmherzige Winter der beste Gefangenenwärter.
    So waren die beiden Posten auch nicht sehr aufmerksam, sondern dösten am Feuer vor sich hin. Daher entging ihnen die leichte Bewegung bei

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