Das Orakel von Port-nicolas
Boden.
»Meiner Meinung nach«, sagte Marc, »sollte man Sevran nicht allzu lange da drunter lassen, er wird sonst noch kleiner.«
Louis faßte Lina wieder bei den Schultern. Das geschah instinktiv, er hatte immer den Eindruck, daß sie sonst umfallen würde.
»Es ist vorbei«, sagte er zu ihr. »Er hätte keine Zeit gehabt, Mathias hat darüber gewacht. Nun, Mathias?«
»Wie wir gedacht hatten«, sagte Mathias, der so friedlich auf Sevrans Rücken saß wie auf einem zusammengerollten Teppich. »Kaum warst du außer Sichtweite, hat er seiner Frau die Knarre in die Hand gedrückt und sie ihr an den Kopf gepreßt. Er hatte nicht viel Zeit, sie Selbstmord begehen zu lassen, ich mußte schnell sein.«
Louis löste die Rucksackgurte.
»Gut. Stell den Kerl wieder auf die Füße und binde ihn am Fuß der Maschine fest. Und bitte, hol uns Guerrec.«
Louis musterte den Ingenieur in der Dunkelheit. Marc brauchte gar nicht hinzusehen, er war sicher, daß er wieder sein Gesicht eines Goten von der unteren Donau aufgesetzt hatte, das von dem Mosaik.
»Nun, Sevran?« fragte Louis leise. »Willst du, daß wir deine Totenmaschine nach den Antworten fragen? Warum hast du Thomas ermordet? Um Lina und mit ihr die einzigartige Maschinensammlung des Physikers zu bekommen? Los, Marc, dreh an der Kurbel.«
Er wußte nicht, warum, aber Marc drehte, und die ganze stählerne Masse begann erneut zu vibrieren. Marc lief zum Ende, um die kleine Botschaft aufzusammeln. Er hatte es so oft gemacht, daß er genau wußte, wo er in der Dunkelheit hingreifen mußte, um den Souvenirzettel zu finden.
»Wie du es gemacht hast, wirst du uns noch sagen. Ein Trick, der dazu geführt hat, daß dein Freund sich über das Geländer beugte, um dich im Hof zu sehen, von wo aus du ihn gerufen hast. Wie ist Diego dahintergekommen? Los, Marc, dreh. Er ist im Zug dahintergekommen, als er dich im Spiegel der Gepäckablage beobachtet hat. Darin sieht man alles, das ganze Gesicht und sogar die Hände derer, die in den Vierergruppen sitzen, wenn man dahinter sitzt. Eine Kleinigkeit, die man vergißt. Man glaubt sich unbeobachtet im Zug, allein, dabei kann einen der ganze Wagen im Glas der Gepäckablage sehen. Ich weiß das, ich verbringe meine Zeit damit, andere zu beobachten, indem ich nach oben sehe. Und du? Wie hast du bei der Rückfahrt im Zug ausgesehen? Dreh, Marc laß dieses Schrottgrab die Wahrheit ausspucken. Wie der tief erschütterte Freund, den man bei den Vernehmungen erlebt hat? Ganz und gar nicht. Du hast gestrahlt, du hast profitiert, und Diego hat es gesehen. Und warum hat der Torero geschwiegen? Weil er glaubte, daß Lina ihren Mann umgebracht habe und du der Komplize gewesen seist. Lina zu beschuldigen, Lina, die schon als kleines Kind von Marie aufgezogen worden war, hätte bedeutet, Marie zu zerstören. Diego liebte Marie, er wollte, daß sie nie etwas davon erfährt. Aber seitdem ihr zusammen wart – und noch schlimmer nach eurer Heirat –, hatte er sich verändert. Und eines Abends hat Diego herausbekommen, daß Lina keine Schuld trug, daß sie nichts wußte. Wie? Dreh, Marc, verdammt! Ich habe keine Ahnung, du wirst uns sagen, was er entdeckt hat. Ein Gespräch von Lina, vielleicht ein Brief, irgendein Zeichen, das ihn darauf brachte. Diego weiß nun, daß du der alleinige Mörder bist, und er hat keinerlei Grund mehr zu schweigen. Er geht zu dir. Du nimmst ihn mit, du willst mit ihm reden, ihr seid schon so lange Freunde. Immerhin nimmt der vorsichtige Diego sein Gewehr mit. Aber Diego, der gefühlvolle Spanier, hat dir gegenüber, diesem stählernen Mechanismus und dem perfekten Funktionieren aller Hebel, aller Kolben deines mit Stolz geölten und mit Ehrgeiz gefetteten Räderwerks gegenüber, das dazu da ist, deine Macht zu sichern, überhaupt keine Chance. Du knallst ihn ab und begräbst ihn hier. Und warum tötest du Marie, die alte Marie, die auf ihren Spanier wartete, während sie Strandschnecken sammelte? Weil Marie umzieht, Lina will sie zu sich nehmen. Dieser verdammte Umzug beunruhigt dich. Was ist, wenn Diego Spuren hinterlassen hat? Du hast schon vor langem alles in ihrem Haus durchsucht, aber weiß man je, ein kleines Versteck unter Eheleuten? Du nimmst dein Auto, um nach Paris zu fahren wie jeden Donnerstag abend, du versteckst es, gehst bei Marie vorbei, beobachtest. Die arme Alte ist nicht bei den Strandschnecken, sie weint über all das, was sie weiß, in Diegos Arbeitszimmer, das sie in Kartons verpackt hat, sie geht
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