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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Schock ausgelöst, und das war ja das Wichtigste.
    »Du trinkst zuviel, meine Liebe«, bemerkte Louis, während er am Abzug des Flippers zog.
    »Kümmer dich um deine Kugel, Ludwig.«
    Marthe nannte ihn Ludwig, und andere nannten ihn Louis. Jeder, wie er wollte, das war er gewohnt. Fünfzig Jahre schwankten die Leute jetzt von einem Vornamen zum anderen. Es gab sogar welche, die nannten ihn Louis-Ludwig. Er fand das idiotisch, niemand heißt Ludwig-Ludwig.
    »Hast du Bufo mitgebracht?« fragte Marthe, als sie mit einem Glas zurückkam.
    »Du weißt genau, daß ihr Cafés Angst einjagen.«
    »Geht’s ihr gut? Klappt’s immer noch mit euch beiden?«
    »Es ist die große Liebe, Marthe.«
    Für einen Moment herrschte Schweigen.
    »Man sieht deine Freundin gar nicht mehr«, begann Marthe dann und stützte sich mit dem Ellbogen auf den Flipper.
    »Sie ist abgehauen. Nimm deinen Ellbogen da weg, ich seh nichts mehr.«
    »Wann?«
    »Nimm deinen Ellbogen da weg, verdammt! Heute nachmittag, sie hat ihre Sachen gepackt, als ich weg war, und hat einen Brief auf dem Bett dagelassen. Na bitte, wegen dir ist jetzt die Kugel weg.«
    »Das liegt an deinem lahmen Spiel. Hast du heute mittag wenigstens was gegessen? Wie war der Brief?«
    »Erbärmlich. Ja, ich hab gegessen.«
    »Es ist nicht leicht, großartige Briefe zu schreiben, wenn man abhaut.«
    »Warum? Man braucht bloß zu reden, anstatt zu schreiben.«
    Louis lächelte Marthe zu und schlug mit der flachen Hand gegen die Seite des Flippers. Wirklich ein erbärmlicher Brief. O.k. Sonia war gegangen, das war ihr gutes Recht, da brauchte man jetzt nicht ständig drauf zurückzukommen. Sie war gegangen, er war traurig, und das war alles. Die Welt war wüst genug, da mußte er sich nicht wegen einer Frau aufregen, die gegangen war. Obwohl … Traurig war das natürlich schon.
    »Mach dir deswegen keinen Kopf«, sagte Marthe.
    »Es tut weh. Und dann gab es dieses Experiment, erinnerst du dich? Es ist schiefgegangen.«
    »Was hast du dir erhofft? Daß sie nur wegen deiner Visage bleiben würde? Ich sag nicht, daß du häßlich bist, leg mir nicht in den Mund, was ich nicht gesagt habe.«
    »Ich mach ja gar nichts.«
    »Aber grüne Augen und all so was reichen nicht aus, Ludwig. Ich hatte auch welche. Und dein steifes Knie ist offengestanden ein Handicap. Es gibt Mädchen, die mögen keine hinkenden Männer. Das nervt sie, merk dir das.«
    »Schon geschehen.«
    »Mach dir keinen Kopf.«
    Louis lachte und strich zärtlich über Marthes alte Hand.
    »Ich mach mir keinen Kopf.«
    »Wenn du es sagst … Willst du, daß ich zur Bank 102 gehe?«
    »Mach, wie du willst, Marthe. Ich bin nicht der Eigentümer der Pariser Bänke.«
    »Du könntest nicht zufällig von Zeit zu Zeit mal Anweisungen erteilen?«
    »Nein.«
    »Na, da schadest du dir selbst. Das Erteilen von Anweisungen verleiht einem Mann ein gewisses Flair. Aber, natürlich, da du schon nicht gehorchen kannst, wüßte ich nicht, wie du befehlen können solltest.«
    »Natürlich.«
    »Hab ich dir das nicht schon mal gesagt? Diese Methode?«
    »Hundertmal, Marthe.«
    »Gute Methoden sind unverwüstlich.«
    Natürlich hätte er Sonias Weggang verhindern können.
    Aber er hatte sich auf das idiotische Experiment »Der Mann, wie er ist« eingelassen, und das Ergebnis lag nun vor ihm, sie war nach fünf Monaten abgehauen. O.k. es reichte jetzt, er hatte genug daran gedacht, er war traurig genug, die Welt war wüst genug, er hatte zu tun, in den kleinen Angelegenheiten dieser Welt genau wie in den großen, da konnte man nicht stundenlang an Sonia und ihren erbärmlichen Brief denken, da mußte anderes getan werden. Aber da oben, in diesem verdammten Ministerium, wo er sich so lange als begehrtes, gehaßtes, unentbehrliches und teuer bezahltes freies Elektron herumgetrieben hatte, warf man ihn raus. Neue Köpfe saßen dort, neue Köpfe von alten Idioten – übrigens nicht alles Idioten, das war das Ärgerliche daran –, die auf die Hilfe von jemandem, der ein bißchen zu gut Bescheid wußte, nicht mehr scharf waren. Sie entließen ihn, sie hegten Mißtrauen, zu Recht. Aber ihre Reaktion war absurd.
    Nehmen wir zum Beispiel eine Fliege.
    »Nimm zum Beispiel eine Fliege«, sagte Louis.
    Louis war mit seinem Spiel fertig. Ein durchschnittliches Ergebnis. Diese neuen Geräte, bei denen man zugleich den Schirm und die Kugel beobachten mußte, waren nervtötend. Aber manchmal begannen die Kugeln in Dreier- oder Vierergruppen gleichzeitig zu

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