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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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und sein Weib, zwei sinnliche Raubtiere auch sie, umgeben von köstlichen, berauschenden Raubkatzengerüchen, würdenihr Leben der Kunst und der Lust weihen, abgesondert und stolz, weit entfernt und losgelöst von der dummen, feigen Menschenmenge der Städte. Ein Jammer, daß es in den Wäldern Polynesiens keine Raubtiere, keine Klapperschlangen gab, daß in ihnen nur die Mücken gediehen. Manchmal sah er sich nicht auf den Marquesainseln, sondern in Japan. Dort hättest du das Paradies suchen sollen, Koke, statt im mediokren Polynesien. Denn im feinsinnigen Land der aufgehenden Sonne waren sämtliche Familien neun Monate im Jahr Bauern und die übrigen drei Monate Künstler. Ein privilegiertes Volk, die Japaner. Bei ihnen war es nicht zu der tragischen Kluft zwischen Künstler und Umwelt gekommen, in der die fortschreitende Dekadenz der westlichen Kultur wurzelte. In Japan waren alle alles: Bauern und Künstler zugleich. Die Kunst bestand nicht darin, die Natur nachzuahmen, sondern darin, eine Technik zu beherrschen und Welten zu schaffen, die sich von der wirklichen Welt unterschieden: Niemand hatte das besser gemacht als die japanischen Künstler in ihren Holzschnitten.
    »Liebe Freunde: Sammelt Geld, kauft mir einen Kimono und schickt mich nach Japan«, rief er mit aller Kraft in die ihn umgebende Leere. »Meine Asche soll unter den Gelben ruhen. Das ist mein letzter Wille, meine Herrschaften! Dieses Land wartet von jeher auf mich. Mein Herz ist japanisch!«
    Du mußtest selbst lachen, aber du glaubtest felsenfest an deine Worte. In einem der seltenen Augenblicke, in denen er aus seiner Betäubung auftauchte, erkannte er am Fuß seines Bettes Pastor Vernier und Tioka, seinen Namensbruder. Mit gebieterischer Stimme erklärte er, der Leiter der protestantischen Mission solle zur Erinnerung an ihn das Exemplar der Erstausgabe von L’après-midi d’un faune annehmen, das der Dichter Mallarmé ihm persönlich geschenkt habe. Paul Vernier dankte ihm, wenn er jetzt auch andere Sorgen hatte:
    »Die wilden Katzen, Koke. Sie treiben sich in IhremHaus herum und fressen alles auf. Wir fürchten, sie könnten Sie anfallen, jetzt, wo Sie durch das Morphium unbeweglich sind. Tioka bietet Ihnen sein Haus an. Dort werden er und seine Familie Sie pflegen.«
    Er weigerte sich. Die wilden Katzen von Hiva Oa seien seit langer Zeit ebenso seine guten Freunde wie die wilden Hähne und die wilden Pferde der Insel. Sie kämen nicht nur auf der Suche nach Eßbarem, um den Hunger zu stillen, sondern auch, um ihm Gesellschaft zu leisten und sich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Im übrigen seien die Katzen zu klug, um ein fauliges Wesen zu fressen, dessen Fleisch sie vergiften konnte. Es freute dich, daß deine Worte Pastor Vernier und Tioka zum Lachen brachten.
    Doch einige Stunden oder Tage später – oder vielleicht vorher? – sah er Ben Varney (wann war der Ladenbesitzer zum Haus der Wonnen gekommen?) am Fuß seines Bettes sitzen. Er betrachtete ihn traurig und mitfühlend, während er zu den anderen Freunden sagte:
    »Er hat mich nicht erkannt. Er verwechselt mich, er nennt mich Mette Gad.«
    »Das ist seine Frau; sie lebt in einem skandinavischen Land, vielleicht in Schweden«, hörte er Ky Dong schnurren.
    Er irrte sich natürlich, denn Mette Gad, in der Tat seine Frau, war nicht Schwedin, sondern Dänin und würde, wenn sie noch lebte, nicht in Stockholm, sondern in Kopenhagen wohnen, Übersetzungen machen und Französischunterricht erteilen. Er wollte es dem ehemaligen Walfänger erklären, aber ihm gehorchte wohl die Stimme nicht, oder er sprach so leise, daß sie ihn nicht hörten. Sie redeten über dich, als wärst du bewußtlos oder tot. Du warst keines von beiden, denn du konntest sie sehen und hören, wenn auch auf seltsame Weise, als würde eine Wand aus Wasser dich von deinen Freunden trennen. Warum hattest du dich an Mette Gad erinnert? Du hattest schon so lange nichts mehr von ihr gehört, und auch du schriebst ihr nicht mehr. Da war ihre hohe Gestalt, ihr männliches Profil,ihre Angst und ihre Enttäuschung, als sie entdeckte, daß der junge Mann, den sie geheiratet hatte, niemals ein neuer Gustave Arosa sein würde, ein Sieger im Dschungel der Geschäfte, ein reicher Bürger, sondern ein Künstler mit ungewissem Schicksal, der sie zuerst dazu erniedrigte, das Leben einer Proletarierin zu führen, und sie dann mit ihren Kindern nach Kopenhagen schickte, damit ihre Familie für sie sorgte, während er sich in

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