Das Parfum: die Geschichte eines Mörders
Mischung würde missraten. Er würde fluchen, das Fenster aufreißen und sie in den Fluss hinunterwerfen. Er würde etwas anderes probieren, auch das würde missraten, er würde nun schreien und toben und in dem schon betäubend riechenden Zimmer einen Heulkrampf bekommen. Er würde gegen sieben Uhr abends elend herunterkommen, zittern und weinen und sagen: «Chenier, ich habe keine Nase mehr, ich kann das Parfum nicht gebären, ich kann die spanische Haut für den Grafen nicht liefern, ich bin verloren, ich bin innerlich tot, ich will sterben, bitte, Chenier, helfen Sie mir zu sterben!» Und Chenier würde vorschlagen, dass man zu Pelissier schickte um eine Flasche «Amor und Psyche», und Baldini würde zustimmen unter der Bedingung, dass kein Mensch von dieser Schande erführe, Chenier würde schwären, und nachts würden sie heimlich das Leder für den Grafen Verhamont mit dem fremden Parfum bedürften. So würde es sein und nicht anders, und Chenier wünschte nur, er hätte das ganze Theater schon hinter sich. Baldini war kein großer Parfumeur mehr. Ja, früher, in seiner Jugend, vor dreißig, vierzig Jahren, da hatte er «Rose des Südens» erfunden und «Baldinis galantes Bouquet» zwei wirklich große Düfte, denen er sein Vermögen verdankte. Aber jetzt war er alt und verbraucht und kannte die Moden der Zeit nicht mehr und den neuen Geschmack der Menschen, und wenn er überhaupt noch einmal einen eigenen Duft zusammenstoppelte, dann war es vollkommen demodiertes, unverkäufliches Zeug, das sie ein Jahr später zehnfach verdünnten und als Springbrunnenwasserzusatz verhökerten. Schade um ihn, dachte Chenier und überprüfte den Sitz seiner Peräcke im Spiegel, schade um den alten Baldini; schade um sein schönes Geschäft, denn er wird's herunterbringen; und schade um mich, denn bis er's heruntergebracht haben wird, bin ich zu alt, um es zu übernehmen...
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Zwar hatte Giuseppe Baldini seinen duftenden Rock ausgezogen, aber nur aus alter Gewohnheit. Der Duft des Frangipaniwassers stärte ihn schon längst nicht mehr beim Riechen, er trug ihn ja schon seit Jahrzehnten mit sich herum und nahm ihn überhaupt nicht mehr wahr. Er hatte auch die Türe des Arbeitszimmers zugeschlossen und sich Ruhe ausgebeten, aber er setzte sich nicht an den Schreibtisch, um zu grübeln und auf eine Eingebung zu warten, denn er wusste viel besser als Chenier, dass er keine Eingebung haben würde; er hatte nämlich noch nie eine gehabt. Zwar war er alt und verbraucht, das stimmte, und auch kein großer Parfumeur mehr; aber er wusste, dass er im Leben noch nie einer gewesen war. «Rose des Südens» hatte er von seinem Vater geerbt und das Rezept für «Baldinis galantes Bouquet» einem durchreisenden Genueser Gewürzhändler abgekauft. Die übrigen seiner Parfums waren altbekannte Gemische. Erfunden hatte er noch nie etwas. Er war kein Erfinder. Er war ein sorgfältiger Verfertiger von bewährten Gerüchen, wie ein Koch war er, der mit Routine und guten Rezepten eine große Küche macht und doch noch nie ein eigenes Gericht erfunden hat. Den ganzen Hokuspokus mit Labor und Experimentieren und Inspiration und Geheimnistuerei führte er nur auf, weil das zum ständischen Berufsbild eines Maitre Parfumeur et Gantier gehörte. Ein Parfumeur, das war ein halber Alchimist, der Wunder schuf, so wollten es die Leute - gut so! Dass seine Kunst ein Handwerk war wie jedes andere auch, das wusste nur er selbst, und das war sein Stolz. Er wollte gar kein Erfinder sein. Erfindung war ihm sehr suspekt, denn sie bedeutete immer den Bruch einer Regel. Er dachte auch gar nicht daran, für den Grafen Verhamont ein neues Parfum zu erfinden. Er würde sich allerdings auch nicht am Abend von Chenier überreden lassen, «Amor und Psyche» von Pelissier zu besorgen. Er hatte es schon. Da stand es, auf dem Schreibtisch vor dem Fenster, in einem kleinen Glasflakon mit geschliffenem Stöpsel. Schon vor ein paar Tagen hatte er es gekauft. Natürlich nicht persönlich. Er konnte doch nicht persönlich zu Pelissier gehen und ein Parfum kaufen! Sondern durch einen Mittelsmann, und dieser wieder durch einen Mittelsmann... Vorsicht war geboten. Denn Baldini wollte das Parfum nicht einfach zum Beduften der spanischen Haut verwenden, dazu hätte die geringe Menge auch gar nicht ausgereicht. Er hatte etwas Schlimmeres im Sinn: Er wollte es kopieren.
Das war übrigens nicht verboten. Es war nur außerordentlich unfein. Das Parfum eines Konkurrenten
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