Das Phantom der Schule
kletterten die Wendeltreppe weiter in die Höhe. In der Holzdecke, die über ihnen sichtbar wurde, befand sich eine rechteckige Öffnung, die nur über eine Leiter erreicht werden konnte.
Lieselotte tappte die Sprossen hinauf und hob den Kopf vorsichtig über die Bodenkante. Sie blickte auf ein Paar grellgelbe Damenschuhe mit hohen, dünnen Absätzen.
„Nein, nein Anatol, ich werde aussteigen. Die erste Sache ist nicht so gelaufen, wie ich wollte. Und bei diesem Projekt mache ich nicht mit. Das ist kriminell“, keuchte die Besitzerin der Stöckelschuhe. Lilo hatte ihre Stimme sofort erkannt. Es war niemand anderer als die Reporterin Petra Stocker.
Neben ihr erkannte sie nun den bulligen Glatzkopf. Er grinste so widerlich wie nie zuvor.
„Schätzchen“, flötete er schleimig und zuckte dabei ständig mit den Nasenflügeln, „Schätzchen, dann sehe ich mich gezwungen, deinen Chef zu informieren. Es interessiert ihn sicher, daß seine neue ,Starreporterin’ die Erfinderin von ,Basilisk’ ist. Damit sie auch einmal eine ordentliche Story schreiben kann. Darf ich dich erinnern, daß alles deine Idee war. Ich bin nur dein Cousin, der sich mit diesen Dingen auskennt und deine Anweisungen ausgeführt hat.“
„Du ... du Schwein!“ stieß die Reporterin verzweifelt hervor. „Anatol, du bist ein Schuft!“
„Und du bist genial, liebste Cousine“, grunzte der Glatzkopf. „Gräfin von Schreck. Die große Unbekannte in Schwarz, die alle Welt suchen wird. Doch niemand wird sie finden. Weil die Gräfin nämlich DU bist!
Großartig, daß dir in dieser Pestgrube eingefallen ist, mit verstellter Stimme mit dir selbst zu reden.“
„Ich ... ich mußte das tun ... weil mir diese Kinder auf den Fersen waren“, stammelte Frau Stocker.
„Du wirst ihr noch öfter deine Stimme leihen, Herzblatt“, schnurrte Anatol. „Und jetzt marsch an deine Schreibmaschine. ,Basilisk’ hat dir einen neuen Befehl zukommen lassen. Diesmal meinen wir es ernst. Das Trinkwasser der Stadt wird vergiftet. Damit es nicht geschieht, fordern wir 200 Millionen!“
„Das ... das ... ist nicht ... dein Ernst!“ keuchte Frau Stocker.
„Doch ... und damit alle sehen, wie ernst wir es meinen, wird das Wasser eurer Redaktion als erstes plötzlich grün sein. Wer trinkt, der stirbt!“
Lieselotte hatte angespannt das Gespräch verfolgt. Sie wollte sich kein Wort entgehen lassen. Deshalb hatte sie auch die scharrenden Laute und den leisen, erstickten Schrei unter sich nicht wahrgenommen.
„Onkel Anatol! Schnell! Hier ist wer!“ brüllte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Lilo drehte sich um und fiel vor Schreck fast von der Leiter.
Ein junger Bursche mit einem blassen, hageren Gesicht und einer blonden Stoppelfrisur hatte Axel von hinten gepackt und hielt ihm den Mund zu. Ehe Lieselotte noch hinunter klettern konnte, schnappte eine feuchte, riesige Hand ihren Arm und hielt ihn eisern umklammert.
„Da haben wir ja einen hübschen Fang gemacht“, grunzte der Glatzkopf. „Habe ich euch nicht gesagt, daß ihr eure Zuckernasen nur noch in Eisbecher stecken sollt?“
Er quetschte Lilos Arm, daß das Mädchen vor Schmerz aufschrie.
„Was ... was machst du jetzt mit ihnen? Die wissen doch alles!“ rief die Reporterin ängstlich.
„Das kümmert mich nicht. Sie werden ihr Wissen nicht so schnell weitergeben können. Los, Freddy, wir werfen die beiden in die Säulenkammer zu dem anderen Bengel.“
„Marco, er meint sicher Marco“, dachte Axel.
Der junge Bursche und Anatol schleiften die beiden Knickerbocker wie Mehlsäcke die Treppe hinunter. Im Erdgeschoß steuerten sie auf die Seite der Säule zu, die vom Eingangstor abgewendet war. Dort befand sich eine schwarze, metallene Tür, die Freddy aufschloß.
Ein winziger, runder Raum wurde dahinter sichtbar. Kaum größer als eine Besenkammer.
„Onkel Anatol“, rief der Bursche, „Onkel Anatol, der Junge ... “
„Was ist mit ihm?“ Der Glatzkopf trat neben seinen Neffen und starrte in das dunkle Loch. Entgeistert riß er die Augen auf.
Alle Klarheiten beseitigt?
„Die Rotznase ist weg! Die Rotznase ist raus!“ stieß er wütend hervor. „Wie konnte das geschehen? Wer hat ihn entkommen lassen?“
„I... i... ich nicht!“ stotterte Freddy.
Auch Petra Stocker winkte mit beiden Händen ab.
Der junge Bursche und sein Onkel beugten sich durch die Türöffnung, ohne jedoch die Knickerbocker loszulassen. Vielleicht lag der Junge hinten in der Dunkelheit.
„Ahhhh!“ mit einem
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