Das Phantom im Netz
ATM suchen, um an das Gewünschte zu gelangen.
Nachdem ich Novells internes Netzwerk mehrere Tage durchforstet hatte, entdeckte ich ein tolles Tool, das allen Novell-Mitarbeitern zur Verfügung stand. Das Programm mit dem Namen »411« listete den Namen, die Telefonnummer, den Login-Namen und die Abteilung sämtlicher Angestellten auf. Das Blatt wendete sich. Ich ließ mir den gesamten Speicherinhalt ausgeben und ging die Liste durch. Sämtliche Entwickler arbeiteten in einer Gruppe namens »ENG SFT«. Ich konnte mir vorstellen, dass die Entwickler von NetWare wahrscheinlich in Utah, dem Hauptsitz der Firma, zu finden waren.
Ich durchsuchte das Verzeichnis nach diesen beiden Kriterien und wählte willkürlich einen Eintrag:
Nevarez, Art:801 429-3172:anevarez:ENG SFT
Jetzt, da ich meine Bezeichnung hatte, müsste ich mich als legitimer Novell-Mitarbeiter ausgeben. Am besten als Mitarbeiter einer Partnerfirma oder irgendjemand, den meine Zielperson wahrscheinlich nicht kannte. In dem Telefonverzeichnis war auch eine Abteilung namens Univel aufgeführt, die wahrscheinlich gebildet worden war, als Novell und die Unix System Laboratories von AT&T 1991 ein Joint Venture begonnen hatten. Ich bräuchte einen Angestellten, der derzeit nicht im Büro war. Meine erste Wahl fiel auf:
Nault, Gabe:801 568-8726:gabe:UNIVEL
Ich rief unter der Nummer an, und sein Anrufbeantworter teilte mir praktischerweise mit, Gabe sei in den kommenden Tagen nicht im Büro und könne seine E-Mails und Nachrichten nicht überprüfen. Aus dem Mitarbeiterverzeichnis suchte ich mir eine Dame aus, die in der Telekommunikationsabteilung arbeitete, und wählte ihre Nummer.
»Hallo, Karen«, sagte ich. »Hier spricht Gabe Nault aus Midvale. Ich habe gestern Abend mein Mailbox-Passwort geändert, aber es funktioniert nicht. Könnten Sie es bitte zurücksetzen?«
»Sicher, Gabe. Wie lautet Ihre Nummer?«
Ich gab ihr Gabes Nummer.
»Alles klar. Ihr neues Passwort besteht aus den letzten fünf Ziffern Ihrer Telefonnummer.«
Ich bedankte mich höflich, rief sofort Gabes Telefon an, gab das neue Passwort ein, nahm den AB-Spruch mit meiner Stimme auf und fügte hinzu: »Ich habe heute mehrere Besprechungen, also hinterlassen Sie am besten eine Nachricht. Danke.« Jetzt war ich ein legitimer Novell-Mitarbeiter mit interner Telefonnummer.
Ich rief Art Nevarez an, gab mich als Gabe Nault von der Technik aus und fragte: »Arbeiten Sie mit NetWare? Ich bin von der Univel Group.«
»Ja«, erwiderte er.
»Prima. Könnten Sie mir einen großen Gefallen tun? Ich arbeite an der NetWare für das Unix-Projekt und muss eine Kopie des NetWare 3.12 Client-Quellcodes in eine unserer Kisten hier in Sandy überführen. Ich richte Ihnen einen Account auf dem ›enchilada‹-Server ein, dann können Sie ein Laufwerk zuordnen und den Code transferieren.«
»Klar. Welche Nummer haben Sie? Ich rufe an, sobald ich fertig bin«, sagte er.
Wir legten auf, und ich war in Hochstimmung. Ich musste mir gar keinen Zugang zum ATM verschaffen, sondern nur jemanden bearbeiten, der schon Zugang hatte.
Ich ging zum Trainieren ins Fitnessstudio und hörte in einer Pause Gabes Mailbox ab, auf der Art mitteilte, er sei fertig. Wahnsinn! Ich hatte Vertrauen gewonnen. Warum sollte ich nicht noch weiter gehen und um einen weiteren kleinen Gefallen bitten? Noch aus dem Fitnessstudio rief ich Nevarez zurück und sagte: »Danke, Art. Aber hey, tut mir leid, ich hab eben gemerkt, dass ich auch die 4.0 Client-Utilities benötige.«
Er klang ein wenig genervt. »Auf dem Server sind sehr viele Daten, da ist nicht mehr genug Platz.«
»Dann nehme ich sie einfach vom ›enchilada‹ und schaffe Platz. Ich rufe Sie an, sobald ich fertig bin.«
Nach dem Training ging ich nach Hause, loggte mich ein und schickte die Dateien zu einem Account, den ich mir bei Colorado Supernet, dem größten Internet-Serviceprovider Denvers, eingerichtet hatte. Am nächsten Tag verschob Nevarez mir auch die anderen Dateien – was aufgrund der Programmmengen sehr lange dauerte.
Als ich ihn später auch noch bat, den Server-Quellcode zu übermitteln, wurde er misstrauisch und blockte ab. Sobald er Verdacht geschöpft hatte, wählte ich mich in Gabes Mailbox ein und stellte sie auf die Standard-Ansage zurück, damit meine Stimme nicht zu hören war. Denn ich wollte ganz sicher nicht, dass die Aufnahme mit meiner Stimme als Beweismittel in einem Prozess auftauchte.
Ich ließ mich nicht entmutigen und sagte mir: Es
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