Das Phantom im Netz
gibt immer noch reizvollere Herausforderungen für mich .
Zu der Zeit waren Mobiltelefone ordentlich geschrumpft und bedeutend kleiner als die frühen Aktenkoffer-Modelle. Trotzdem hatten sie noch die Größe (und das Vielfache des Gewichts) eines Herrenschuhs. Da machte Motorala einen Sprung nach vorn und präsentierte als erste Firma der Mobilfunkbranche ein kleines, leichtes, gut entworfenes Handy, das MicroTAC Ultra Lite. Es sah aus wie der Star-Trek-Kommunikator, mit dem Captain Kirk »Scotty, beam mich rauf« befiehlt. Wenn das Telefon schon von außen so anders aussah als alles Bisherige, musste auch die Software voller Innovationen stecken.
Ich benutzte immer noch das Novatel PTR-825, zu dem Novatel mir nach einem erfolgreichen Telefonangriff spezielle Chips geschickt hatte, mit denen ich die ESN über die Tastatur ändern konnte. Es war längst nicht so schick wie das MicroTAC Ultra Lite. Vielleicht sollte ich also das Handy wechseln – wenn ich nur einen Weg fände, dem neuen Gerät dieselben Eigenschaften wie dem Novatel zu geben. Ich müsste an den Quellcode des Motorola-Handys kommen. Ob mir das gelänge? Auf jeden Fall war es eine sehr spannende Herausforderung.
Ich war so erpicht darauf, mich in das Thema einzufuchsen, dass ich Elaine, die Kanzleichefin bat, ein paar Stunden früher gehen zu dürfen, da ich noch eine private Verpflichtung hätte. Sie willigte ein. Ich ging um drei. Auf der langen Aufzugfahrt vom 45. Stock nach unten traf ich auf eine kleine Gruppe Anwälte, die sich über einen bedeutenden Fall lustig machten, den sie aktuell vertraten: Michael Jackson. Ich grinste in mich hinein und dachte an die Zeit, als ich noch bei Fromin‘s Delicatessen gearbeitet hatte. Die Familie Jackson wohnte damals in einem großen Haus ein Stück weiter, auf der Hayvenhurst, und kam immer mal wieder vorbei, um sich was zum Brunchen oder Abendessen zu holen. Und jetzt stand ich in einem Aufzug, anderthalbtausend Kilometer entfernt, auf der Flucht vor FBI und den U.S. Marshalls, und war Angestellter einer angesehenen Kanzlei, die einen der berühmtesten Musiker weltweit vertrat.
Ich machte mich bei beginnendem Schneefall auf den Weg, rief bei der Auskunft an und ließ mir die Nummer von Motorola geben. Dort traf ich auf eine freundliche Telefonistin, der ich mitteilte, ich würde nach dem Projektmanager für das MicroTAC Ultra Lite suchen.
»Unsere Cellular Subscriber Group ist in Schaumburg in Illinois. Soll ich Ihnen die Nummer geben?«, fragte sie. Klar, her damit.
Ich rief in Schaumburg an und sagte: »Hallo, hier ist Rick von Motorola in Arlington Heights. Ich versuche, den Projektmanager für das MicroTAC Ultra Lite zu erreichen.« Ich wurde an verschiedene Mitarbeiter weitergeleitet und landete schließlich beim Abteilungsleiter für Forschung und Entwicklung. Auch ihm erzählte ich, ich sei aus Arlington Heights und müsse mit dem MicroTAC-Projektmanager sprechen.
Ich befürchtete, der Mann am anderen Ende würde wegen der Verkehrsgeräusche und dem gelegentlichen Hupen misstrauisch, das jetzt immer mal wieder ertönte, weil es die Leute eilig hatten, nach Hause zu kommen, bevor der Schnee sich weiter auftürmen würde. Aber er sagte nur: »Dann leite ich Sie mal an meine Mitarbeiterin Pam weiter. Sie kümmert sich um das Projekt.« Er gab mir ihre Durchwahl. Auf Pams Mailbox war zu hören, sie sei für zwei Wochen im Urlaub. »Wenn Sie Hilfe benötigen, wenden Sie sich bitte an Alisa«, riet sie und gab deren Durchwahl an.
Ich rief gleich unter der Nummer an und sagte: »Hallo, Alisa. Hier ist Rick, aus der Entwicklungsabteilung in Arlington Heights. Als ich letzte Woche mit Pam sprach, meinte sie, sie wäre bald im Urlaub. Ist sie schon weg?«
Alisa antwortete natürlich: »Ja.«
»Sie sollte mir eigentlich noch den Quellcode für das MicroTAC Ultra Lite schicken. Aber sie meinte, falls sie es nicht mehr schafft, bevor sie in den Urlaub geht, sollte ich Sie anrufen und Sie würden mir weiterhelfen.«
Ihre Antwort lautete: »Welche Version brauchen Sie?«
Ich grinste.
Prima. Keine Fragen zur Person und so hilfsbereit. Aber natürlich hatte ich keine Ahnung, welches die aktuelle Version war oder gar, welche Nummerierung sie benutzten. Also antwortete ich einfach salopp: »Wie wär‘s mit der brandneusten?«
»Gut, ich sehe kurz nach«, sagte sie.
Ich stapfte weiter. Der Schnee klebte nun immer schwerer an den Schuhen. Ich hatte meine Skimütze über ein Ohr gezogen und hielt mein
Weitere Kostenlose Bücher