Das Phantom von Manhattan - Roman
war ihre Privatsache und ging mich nichts an, wenn die Lady für kurze Zeit verschwinden wollte, um ihrem merkwürdigen Gönner Lebewohl zu sagen. Ich rechnete damit, daß sie gegen acht Uhr in einer Droschke vorfahren und uns in ihrer charmanten Art und mit ihrem gewinnenden Lächeln begrüßen würde.
So saßen wir zu dritt am Tisch und bemühten uns, Konversation zu machen. Ich fragte den Priester, ob ihm New York gefallen habe. Sehr, antwortete er, eine schöne Stadt, in der er überall Landsleuten begegnet sei. Und Coney Island?, fragte ich. Daraufhin machte er ein grimmiges Gesicht. Ein seltsamer Ort,
sagte er, mit seltsamen Leuten. Der Funmaster?, fragte ich weiter. Der … und andere, sagte er.
In meiner Naivität trat ich in alle erdenklichen Fettnäpfchen. Oh, Sie meinen Darius, sagte ich. Er wirbelte herum, und der Blick seiner blauen Augen schien mich zu durchbohren. Woher kennen Sie ihn?, fragte er. Ich bin ihm schon einmal begegnet, antwortete ich. Erzählen Sie mir, wann und wo?, und das war mehr ein Befehl als eine Bitte. Aber die Angelegenheit mit dem Brief erschien mir harmlos, weshalb ich ihm meine Begegnung mit dem Pariser Anwalt Dufour und unseren Besuch in der Penthousesuite des höchsten Wolkenkratzers der Stadt schilderte. Mir war einfach nicht bewußt, daß Pater Kilfoyle nicht nur der Hauslehrer des Jungen, sondern auch der Beichtvater des Ehepaars de Chagny war.
Während wir uns noch unterhielten, hatte der Vicomte, der sich anscheinend langweilte, weil er zuwenig Englisch verstand, sich entschuldigt und war wieder hinaufgegangen. Ich fuhr mit meiner Erzählung fort und berichtete, wie überrascht ich gewesen war, als Darius im Vergnügungspark sichtlich verwirrt an mir vorbeigerannt war, drei unverständliche Wörter gerufen, sich ein kurzes Blickduell mit Pater Kilfoyle geliefert hatte und dann weggefahren war. Der Priester hörte mir schweigend zu, dann fragte er: Wissen Sie noch, was er gerufen hat? Ich erklärte ihm, das seien ausländische Wörter gewesen, aber ich hätte notiert, was ich glaubte gehört zu haben - auf meiner linken Zelluloidmanschette.
In diesem Augenblick kam M. de Chagny zurück.
Er wirkte besorgt und sprach hastig auf französisch mit Pater Kilfoyle, der für mich dolmetschte. »Sie sind nicht da. Mutter und Sohn sind nirgends zu finden.« Ich wußte natürlich, warum, und versuchte sie zu beruhigen, indem ich sagte: »Machen Sie sich keine Sorgen, sie sind zu einem Treffen gefahren.«
Der Priester starrte mich durchdringend an, vergaß aber zu fragen, woher ich das wußte. Er wiederholte lediglich das eine Wort: Treffen? »Nur um einem alten Freund, einem Mr. Erik, Lebewohl zu sagen«, fügte ich hinzu, immer noch bemüht zu helfen. Der Ire starrte mich weiter an; dann schien ihm einzufallen, worüber wir gesprochen hatten, bevor der Vicomte zurückgekommen war. Er griff über den Tisch, packte meinen linken Unterarm, zog ihn zu sich heran und drehte ihn um.
Und da standen sie, die drei mit Bleistift geschriebenen Wörter. Zehn Tage lang hatte diese Manschette zwischen den anderen auf meiner Kommode gelegen, und genau an diesem Morgen hatte ich zufällig wieder nach ihr gegriffen und sie über mein Handgelenk gestreift. Pater Kilfoyle warf einen Blick darauf und sagte nur ein Wort. Ich hätte nie gedacht, daß katholische Priester es kannten oder gar benutzten. Aber er gebrauchte es. Dann sprang er auf, zog mich vom Stuhl hoch und brüllte mich an: »Um Himmels willen, wo ist sie hingefahren?« »Battery Park«, krächzte ich.
Er rannte in Richtung Hotelhalle, während der unglückliche Vicomte und ich hinter ihm herliefen. Wir stürmten durch den Hauptausgang hinaus und sahen
unter dem Vordach eine zweispännige Droschke stehen, in die eben ein Gentleman mit Zylinder einsteigen wollte. Der Ärmste wurde am Jackett gepackt und beiseite geschleudert, als der Mann in der Soutane in den Wagen sprang und dem Kutscher zurief: »Battery Park! Und fahren Sie so schnell Sie können!« Ich kam gerade noch rechtzeitig, um nach ihm in die Kutsche zu klettern, und zog den armen Franzosen zu uns herein, als die Droschke bereits auf die Straße abbog.
Während der Fahrt hockte Pater Kilfoyle mit hochgezogenen Schultern in einer Ecke und umklammerte mit beiden Händen das Kreuz, das er an einer Kette um den Hals trug. Er murmelte voller Inbrunst: »Heilige Maria, Mutter Gottes, gib, daß wir noch rechtzeitig kommen.« Als er einmal eine Pause machte, beugte ich mich zu
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