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Das Pubertier

Das Pubertier

Titel: Das Pubertier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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23  Uhr stellt er weitere Fortschritte fest. Der Boden der Versuchsanordnung ist komplett begehbar. Auf dem Schreibtisch hat sich allerhand angesammelt, was vom Pubertier hamsterartig im ganzen Haus zusammengesucht wurde und zum Teil schon lange schmerzlich vermisst wird. Unter den Gegenständen sind solche, deren Unterschlagung das Pubertier bisher hartnäckig geleugnet hat, darunter die Zuckerdose aus der Küche, eine Bürste, eine Apple-Fernbedienung, der Tesaroller, das Bürotelefon und zahlreiche Teller und Dessertschälchen mit nicht mehr identifizierbarem Inhalt. Es finden sich allerdings auch Dinge, die man nicht in der Versuchsanordnung vermutet hätte: eine Packung Poliertücher, eine Krawatte vom Versuchsleiter, ein Stück Kaminholz und das Vorderrad eines Fahrrades, von dem das Pubertier nicht genau weiß, wo es herkommt.
    Der Versuchsleiter setzt sich aufs Bett, um sich Notizen machen zu können, und bemerkt eine konvexe Wölbung der Matratze. Er nimmt an, dass sich etwas unter dem Bett befinde, und sieht nach. Tatsächlich hat das Pubertier sämtliche Kleidungsstücke und Handtücher unter das Bett gestopft.

    «Von Ordnung kann hier keine Rede sein», bemängelt der Versuchsleiter, worauf das Pubertier stöhnend damit beginnt, die Sachen unter dem Bett hervorzuholen und nun doch sinnvoll zu sortieren.
    Später hört der Versuchsleiter zufällig ein Telefonat mit, in welchem das Pubertier seiner Freundin gegenüber die Aufräumaktion erwähnt. Es sagt: «Das hat ihm so eine Freude gemacht. Mal sehen, was passiert, wenn ich jetzt absichtlich jeden Tag aufräume. Das müsste doch etwas in ihm auslösen.»
    Manchmal denkt der Versuchsleiter, er selbst sei die Versuchsperson und das Pubertier mache Experimente mit ihm.

Zyklus des Lebens
    Nach Ansicht des Bundesverbandes der Biologielehrer leitet einen die Kenntnis des Zitronensäurezyklus zu köstlichstem Verständnis des Universums im Allgemeinen sowie der Mitochondrien im Besonderen. Die Nichtkenntnis des Zitronensäurezyklus führt hingegen ohne Umweg in die Hölle. Wobei ich jetzt aus der Lamäng gar nicht genau weiß, ob es überhaupt einen Bundesverband der Biologielehrer gibt. Für alle, die den Zitronensäurezyklus nie verstanden haben, bleibt das Universum jedenfalls ein dunkles Loch und der Zitronensäurezyklus eine mythische Schülerfolter. Dennoch kannte ich an meiner Schule ein paar Leute, die ihn draufhatten.
    Wer ihn beherrschte, der konnte auch Mathe und Cello und wusste nicht nur, wo der Hase langlief, sondern auch, warum und mit welcher Durchschnittsgeschwindigkeit. Alle anderen, also auch ich, waren auf illegale Hilfsmittel angewiesen.
    Ich hätte die betreffende Biologieklausur also schaffen können. Wenn ich nicht zwischendurch auf die Toilette gegangen wäre. Wobei blöd daran bloß war, dass ich mir danach gedankenverloren die Hände wusch. Der Teil des Zitronensäurezyklus, den ich mir morgens in Mikroschrift auf das linke Handgelenk unter die Armbanduhr gekrakelt hatte, war sofort verschwunden. Und der andere Teil, der auf dem rechten Handgelenk stand, wurde dadurch sinnlos. Mit einem halben Zitronensäurezyklus lässt sich schwer auftrumpfen. Man kann ja schlecht sagen: «Oh, leider wurde der Kreislauf in meinem Gehirn von Prokaryoten aufgefressen. Es ist nur noch der Kram nach dem Succinat übrig.» Das glaubt einem ja kein Mensch. Jedenfalls erhielt ich für den halben Zyklus eine Sechs. Und das nur, weil ich so ein hygienischer Typ bin und auf die Anfertigung eines ordentlichen Spickzettels verzichtet hatte.
    In Spickzetteln war ich nie besonders gut. Ich hatte Mitschüler, die wesentliche Hilfestellungen zu «De Bello Gallico» auf einem daumennagelgroßen Papier unterbrachten. Oder Interpretationshilfen zu Richard  III . in einem Kassiber, welcher als Miniatur-Papierrolle aus einem Kugelschreiber gezogen wurde. Gewiefte Mädchen schrieben sich mathematische Formeln auf die Oberschenkel und hoben den Rock, um dort Körperberechnungen von Pyramiden und Tetraedern nachzusehen. Ein Kollege übertrieb allerdings den Toilettentrick, indem er auf dem Klo nicht etwa einen Mitschüler versteckte, sondern seinen Vater, der immerhin nicht von der Schule fliegen konnte. Ich denke mit Wehmut an diese glücklichen Zeiten zurück und nahm bis gestern an, dass sie mit dem Schulalltag von heute nicht mehr das Geringste zu tun haben. Moderne Schüler können bei funktionierendem WLAN womöglich telepathisch mogeln.

    Doch dann fiel mir eine

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