Das Pubertier
jagen müssen, und ansonsten haben sie am liebsten ihre Ruhe.
«Warum soll ich zehn Kilometer fahren, um etwas zu essen, was ich genauso gut in der Küche zu mir nehmen könnte?», fragte sie, und damit hatte sie im Grunde genommen auch recht. Aber das wollte ich mir nicht anmerken lassen. Und dann fügte sie hinzu, dass sie schon wegen der Ameisen nicht mitwolle.
«Was hast du denn für ein Problem mit Ameisen?», fragte ich.
«Die mischen sich immer in alles ein», sagte sie, und ich fand das einen schönen Satz, ließ mich aber nicht beirren.
Ich googelte pfiffige Picknickrezepte aus Frauenzeitschriften und bereitete allerhand zu, was ich anschließend in den Korb stopfte. Dazu Getränke. Am Ende wog der Korb ungefähr fünfzehn Kilo. Leider passte das doofe Trumm nicht auf mein Fahrrad, was ich natürlich vorher hätte wissen können. Aber wenn ich schon mal die Initiative ergreife, sind mir die Konsequenzen egal.
Sara meinte, man könne ja auch mit dem Auto zum Picknick fahren, aber das finde ich konzeptionell noch absurder als mit dem Fahrrad. Wenn man im Auto irgendwohin fährt, kann man sich gleich ein schönes Lokal mit einem großen Parkplatz suchen und den Picknickkorb zu Hause lassen. Gut, es sei denn, man ist Cary Grant, fährt einen Sunbeam Alpine, trägt beim Picknick helle Hosen und hat die Aussicht, an Grace Kellys Hühnerbeinen zu knabbern.
Wir wollten gerade losfahren, da beklagte Nick einen platten Reifen, aber ich glaube, Carla hatte ihm einfach nur die Luft herausgelassen. Oder Sara. Sie machte nämlich, sobald klar war, dass wir unseren Ausflug nicht fortsetzen konnten, einen ungemein pragmatischen Vorschlag. Ob man denn nicht einfach mein Picknick im Garten veranstalten könne. Da werde den Wünschen aller Genüge getan, und das sei auch bestimmt lustig.
So haben wir das dann gemacht. Zwischendurch konnten wir in die Küche gehen und alles holen, was ich vergessen hatte einzupacken. Als es anfing zu regnen, wurden wir nicht nass, und eigentlich war es wie immer, weil wir den Tisch und die Stühle mitnahmen. Die Kinder freuten sich sehr, dass sie nach dem Essen ganz schnell wieder zu Hause waren. Wir räumten auf, und ich habe den Korb dann später wieder in den Keller gebracht. Da steht er gut und ab jetzt für alle Zeiten.
Im Pubertierlabor 4: Ordnungshalber
Ordnung ist angeblich das halbe Leben. Dieser Leitsatz wird vom Pubertier nicht nur grob missachtet, sondern auch widerlegt. Ordnung ist seiner Ansicht nach gar kein Leben und schon gar keine Tugend, sondern eine lästige Auflage, die weder Fun bereitet noch zu irgendwas nutze ist. Aber immerhin hat das Pubertier die Erfahrung gemacht, dass eine aufgeräumte Versuchsanordnung ein Lächeln und Wohlwollen in die Gesichter des Versuchsleiters und seiner Gattin zaubert.
Das Pubertier ist recht gut dazu in der Lage, über unterschiedliche Chaosabstufungen die Stimmung des Versuchsleiters zu manipulieren. Dieser betritt die Versuchsanordnung am Nachmittag gegen 14 Uhr und hält das Pubertier dazu an, aufzuräumen und schmutzige Wäsche zu sortieren. Er bittet das Pubertier, die saubere Kleidung in den Schrank zu legen und die schmutzige in den Keller zu tragen. Und außerdem möge der ganze Raum in jenen glücklichen Zustand versetzt werden, der das letzte Mal kurz vor Ostern für wenige Tage zu besichtigen war.
Der Versuchsleiter spricht diese Worte in einen Berg von Klamotten hinein. Das Pubertier selbst ist nicht zu sehen. Um es zu finden, müsste sich der Versuchsleiter im bergmännischen Vortrieb durch den Haufen wühlen, was er aber ablehnt, da dies würdelos und nicht mit seinem Forschungsmandat zu vereinbaren ist. Nach nochmaliger Aufforderung antwortet das Pubertier von irgendwo hinter dem Berg, erst noch zu chillen und dann eben diese Fron auf sich zu nehmen.
Gegen 15 Uhr betritt der Versuchsleiter die Versuchsanordnung abermals und stellt zufrieden fest, dass der Berg bereits zur Hälfte abgetragen wurde. Das Pubertier hockt äußerst missmutig auf dem Boden und sortiert Socken. Immerhin: Die Sonne kann nun wieder durchs Fenster scheinen und beleuchtet unter anderem mehrere Gläser mit kaltem Milchkaffee in unterschiedlichen Verwesungsphasen. Der Versuchsleiter gibt seiner Freude darüber Ausdruck, dass die Gläser wieder aufgetaucht sind, und darüber, dass diese bald wieder allen Familienmitgliedern zur Verfügung gestellt werden. Er bekommt ein paar braune Kniestrümpfe an den Kopf und zieht sich zurück.
Um 16 :
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