Das Pubertier
ich: Wie langweilig. Wie spießig. So überhaupt null kriminelle oder wenigstens hormonelle Energie. Dann wurde mir augenblicklich klar, dass es sich ja um den dreizehnten und nicht um den sechzehnten Geburtstag handelte, und ich hielt mich mit meiner Kritik am Festprogramm zurück.
Später waren gedämpftes Gemurmel und Gekicher und Möbelgerücke zu hören. Zwischendurch klingelte es immer mal wieder, Neuankömmlinge wurden wie Kriegsheimkehrer gefeiert, von Zeit zu Zeit trippelte wer ins Bad. Gegen Abend lockte ich die Meute (per Telefon!) in die Küche, wo ich Pizza servierte, was als ausgesprochen cool bewertet wurde und mir den anerkennenden Blick meiner Tochter eintrug. Die Damen und Herren blieben immerhin fast eine Stunde am Tisch, um dann ins Basislager zurückzukehren und dort pointenlos rumzuhocken.
Sara und ich saßen genau darunter im Wohnzimmer und schauten an die Decke.
«Sie könnten ja ein bisschen tanzen», sagte Sara.
«Ja. Oder heimlich rauchen», sagte ich.
«Oder zanken», sagte Sara.
Und dann geschah es. Ein Eklat. Endlich! Leben! Wir hörten Türenschlagen und Getrampel, dann wieder Türenschlagen und ein Schloss. Jemand hatte sich im Klo eingesperrt. Ich ging mal gucken. Vor dem Bad standen vier Gäste und unser Pubertier. Auf meine Frage, wer dadrin sei, erklärte Carla, das sei Jenny und der gehe es nicht so gut. Jenny ist ein sehr korpulentes Mädchen. Hübsches Gesicht, aber doch ziemlich kräftig.
Jenny hielt es eine Dreiviertelstunde im Klo aus, was sicher auch an den großartigen uralten Comicheften liegt, die ich dort deponiert habe. Als sie endlich den Schlüssel umdrehte und mit tränenverschmiertem Gesicht auftauchte, waren sämtliche Pubertiere zur Stelle, um sie abzufangen und zu umsorgen. Nur Moritz nicht, der saß auf der Treppe und guckte wie Philipp Rösler nach der Bundestagswahl.
Später habe ich durch investigative Recherche (Facebook) rausgefunden, was sich abgespielt hatte. Es war nämlich so, dass Carla gesagt hat: «Jenny und ich sind wirklich so richtig dicke Freundinnen.» Und darauf hat Moritz fröhlich gerufen: «Na ja, mehr oder weniger.» Und da ist Jenny aus dem Zimmer gestürzt. Die anderen haben sich den Moritz vorgeknöpft, weil das von ihm echt endfies war, die Jenny so krass vor den anderen zu dissen.
Hat sich dann aber auch alles wieder eingerenkt. Über Nacht haben wir nicht viel gehört, außer als Simon sich übergeben hat. Zu viel von allem, man kennt das ja. Aber sie haben gemeinsam saubergemacht. Am nächsten Morgen bereitete ich das Frühstück für Carla und ihre Gang vor, und diese erschien schluckweise. Man gab sich schweigsam. Auf meine Frage, wie lange man getagt habe, hieß es, dass es die Letzten bis sieben Uhr morgens ausgehalten hätten. Man selbst erinnert sich an solche Exzesse, kann sie aber nicht mehr verstehen. Ich persönlich schlafe ja höchst gerne.
Ich fragte in die Runde, wer denn jetzt alles einen schönen Kakao haben wolle, und Moritz fragte zurück, ob auch ein Latte macchiato gehe. Dem schlossen sich alle an. Und mein winzig kleiner Coolheitskredit war quasi nolens volens wieder weg.
Im Pubertierlabor 1: Weckdienst
Im Rahmen meiner privaten Langzeitstudie über das Sozialverhalten des gemeinen Pubertiers lesen Sie heute Forschungsergebnisse zum Themenkreis: «Wie man eine Vierzehnjährige weckt». Die entsprechende Testreihe läuft bereits seit langem, und ich verfüge über vielfältige Erkenntnisse. Hier die Aufzeichnung vom vergangenen Donnerstag:
Die Probandin wird wie stets vom Versuchsleiter persönlich um Punkt sieben Uhr geweckt. Um diese Zeit wuseln achtzig Prozent der Deutschen bereits durch Badezimmer, Küchen und U-Bahnhöfe. Die restlichen zwanzig Prozent haben entweder keinen Grund zum Aufstehen. Oder sie können nicht. Oder sie befinden sich in der Pubertät.
Der Versuchsleiter probiert es in einer ersten Weckmaßnahme mit der deutlichen Aufhellung des Labors durch Einschalten der Generalbeleuchtung. Das Pubertier reagiert darauf nicht, denn es befindet sich zu zweiundneunzig Prozent unter der Bettdecke. Der Versuchsleiter geht nun auf das Bett zu und stolpert dabei über ein Handy-Ladekabel. Er fängt sich gerade noch, landet mit der linken Hand jedoch in etwas, das entweder ein Schwamm mit Hautcreme ist oder ein sehr altes Stück Käsekuchen. Der angeekelte Versuchsleiter entscheidet unter diesen Umständen, nicht bis zum Bett vorzudringen. Stattdessen ruft er in munterer Intonierung: «Sieben
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