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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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EINS
    Howbutker, Texas, August 1985
     
    A mos Hines hob den Blick von der zweiten und gleichzeitig letzten Seite eines juristischen Dokuments. Sein Mund war trocken, als er seine Mandantin und langjährige Freundin ungläubig anblinzelte, die ihm gegenüber an seinem Schreibtisch saß, eine Frau, die er seit vierzig Jahren bewunderte und verehrte – und die er zu kennen geglaubt hatte. Er suchte in ihrem Gesicht nach Hinweisen auf eine altersbedingte Beeinträchtigung ihrer geistigen Fähigkeiten, fand darin jedoch nur ihren gewohnten Scharfsinn. Erst nach einer ganzen Weile gelang es Amos, sie zu fragen: »Ist dieses Kodizill wirklich dein Ernst, Mary? Du hast die Plantage verkauft und dein Testament geändert?«
    Mary Toliver DuMont nickte. Dabei glänzten ihre weißen, wie immer chic frisierten Haare im Licht, das durch die Verandatür hereinfiel. »Die Antwort auf beide Fragen lautet ja, Amos. Ich weiß, du bist schockiert, und dies ist sicher nicht die feinste Art, dir deine jahrelangen treuen Dienste zu vergelten, aber du wärst noch viel verletzter gewesen, wenn ich die Angelegenheit einem anderen Anwalt anvertraut hätte.«
    »Allerdings. Ein anderer Anwalt würde nicht versuchen, dich zu überreden, dass du dir die Sache mit dem Nachsatz noch einmal überlegst – zumindest den Teil, der sich rückgängig machen lässt.« Toliver Farms, Marys gewaltiges Baumwollimperium, das sie klammheimlich im vergangenen Monat verkauft hatte, ohne ihre Großnichte in Lubbock, Texas, die
Geschäftsführerin von Toliver Farms West , in die Transaktion einzuweihen, war nicht mehr zu retten.
    »Da gibt es nichts rückgängig zu machen, Amos«, erwiderte Mary ein wenig schroff. »Was geschehen ist, lässt sich nicht mehr ändern, und ich überlege es mir auch nicht anders. Du vergeudest unser beider Zeit, wenn du mich umzustimmen versuchst.«
    »Hat Rachel dich irgendwie verärgert?«, erkundigte sich Amos und drehte sich auf seinem Schreibtischstuhl zu seiner Kredenz, um nach einer Karaffe zu greifen und mit zitternder Hand zwei Gläser Wasser einzuschenken. Er hätte Lust auf etwas Gehaltvolleres gehabt, wusste aber, dass Mary keinen Alkohol trank. »Hast du deshalb alles verkauft und das Testament abgeändert?«
    »Du lieber Himmel, nein, Amos«, antwortete Mary entsetzt. »Wie kommst du denn auf die Idee? Meine Großnichte hat nichts anderes getan, als das zu sein, was sie ist – eine Toliver.«
    Amos wandte sich wieder Mary zu. Sie hatte abgenommen, fiel ihm auf. Ihr maßgeschneidertes Kostüm hing an ihr herunter, und ihr mit fünfundachtzig noch immer auffallend schönes Gesicht wirkte schmaler. Die Angelegenheit hatte ihr zu schaffen gemacht, und zu Recht, dachte er wütend. Wie konnte sie ihrer Großnichte das antun – sie ihres rechtmäßigen Erbes berauben, des Landes und Anwesens ihrer Vorfahren sowie des Rechts, in der von diesen mitbegründeten Stadt zu leben. Er nahm einen großen Schluck Wasser und gab sich Mühe, sich seine Verärgerung nicht anmerken zu lassen, als er sagte: »Das klingt, als hieltest du das für einen Makel.«
    »Ja, und den versuche ich zu korrigieren.« Sie hob das Glas an die Lippen, trank es leer und tupfte sich den Mund mit der Serviette ab, die Amos ihr reichte. »Genau deshalb habe ich den Nachsatz aufgesetzt. Ich erwarte nicht von dir, dass
du ihn begreifst, Amos, doch Percy wird ihn zum gegebenen Zeitpunkt verstehen. Wie Rachel, sobald ich ihr alles erklärt habe.«
    »Und wann willst du das tun?«
    »Ich fliege morgen mit dem Firmenflugzeug nach Lubbock, um mich mit ihr zu treffen. Sie weiß noch nichts davon. Dort erzähle ich ihr dann von dem Verkauf und dem Kodizill. Ich kann nur hoffen, dass meine Argumente sie von der Richtigkeit meines Handelns überzeugen.«
    Die Richtigkeit ihres Handelns? Amos sah sie ungläubig über den Rand seines Glases hinweg an. Seiner Meinung nach wäre es leichter gewesen, einem Seemann die Sinnhaftigkeit des Zölibats nahezulegen. Rachel würde ihr niemals vergeben, da war er sich sicher. Er beugte sich vor, um Mary tief in die Augen zu blicken. »Wie wär’s, wenn du deine Argumente zuerst einmal mir unterbreitest, Mary? Warum verkaufst du Toliver Farms, für deren Aufbau du fast dein ganzes Leben lang geschuftet hast? Und wieso vermachst du Somerset ausgerechnet Percy Warwick? Was soll er denn mit einer Baumwollplantage anfangen? Er ist im Holzgewerbe . – Und neunzig! Und dass du das Herrenhaus der Tolivers dem Verein für

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