Das Pubertier
umgekehrt. Als ich in der Facebook-Quasselbude frisch angemeldet war, purzelten Freundschaftsanfragen herein, und darunter waren einige von Carlas Schulfreunden. Ich fand das lustig und drückte auf «bestätigen». Ich dachte, das sei geschickt, weil man auf diese Weise mit Jugendlichen in Kontakt bleibt.
Zunächst erwiesen sich meine Facebook-Freundschaften mit Carlas Clique als ziemlich enervierend. Dauernd wurde ich gefragt, ob ich bei irgendwelchen doofen Spielen mitmachen wolle. Ob ich mir ein Date mit Miley Cyrus wünschte (nein) oder lieber eines mit Cameron Diaz (schon eher) und ob ich alte Wendy-Hefte bräuchte (bestimmt nicht). Ich reagierte nie.
Aber dann passierte die Sache mit Moritz. Ich kann ihn gut leiden. Er ist nett, sieht gut aus, und soweit ich es beurteilen kann, ist er gut für Carla. Mehr kann man nicht verlangen. Manchmal sitzen die beiden in unserer Küche und verursachen eine Art Lochfraß in unserem Kühlschrank.
Damit könnte es nun vorbei sein, denn der arme Kerl hat einen weiteren großen Fehler gemacht. Vor einigen Tagen tauchte er in der Schule mit einer neuen Frisur auf. Seine längeren Haaren sind einem Selbstverwirklichungstrip der Friseurin zum Opfer gefallen, und er sieht aus, wie man nachmittags auf RTL II aussieht. Im Ergebnis führt dieser Look dazu, dass er ein Schleudertrauma bekommen wird, weil er sich diesen seltsamen Pony immer aus dem Gesicht schütteln muss.
Nachmittags fragte Liliane auf Facebook nach Meinungen zu Moritz’ neuem Kopfputz. Carla kommentierte: «Sieht aus wie eine Klobürste aus Eichhörnchenfell.» Moritz kommentierte: «Dabei habe ich das nur für Dich getan. Aber da habe ich wohl einen Fehler gemacht.» Ich postete unüberlegt: «Die größten Dummheiten werden aus Liebe begangen.» Und Carla schrieb: «Tschüs Papa.»
Kurz darauf hatten alle ihre Bekannten ihre Verbindung zu mir gelöst. Ich rief einen Vater an, der bisher ebenfalls mit allen Kindern befreundet war. Und der ist auch raus. Wir sind alle raus. Aufs Abstellgleis geschoben, Generationenvertrag gekündigt. Ritschratsch, so schnell kann’s gehen. Nur bei Moritz bin ich noch drin. Wir sind sozusagen richtige Freunde.
Im Pubertierlabor 2: Gelddinge
Bevor ich mit der Schilderung neuer Forschungsergebnisse aus dem Pubertierlabor beginne, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf das hohe Gefahrenpotenzial dieser Studie lenken. Bei einem Pubertier handelt sich um ein interessantes, aber eben auch lebensgefährliches Versuchsobjekt. Das Pubertier ist in der Lage, heftig zu schimpfen, ziellos zu schlagen oder zu werfen und sogar zu beißen.
Die folgenden Laborberichte hat der Versuchsleiter mit letzter Tinte verfasst und sich dann für einen Monat abgemeldet. Gut möglich, dass er sich irgendwo aufhält, wo es keine Jugendlichen gibt, also beim Mitteldeutschen Rundfunk, auf dem Mars oder in Bad Reichenhall.
Heute geht es also um den Umgang des Pubertiers mit Geld. Es kann davon nicht genug haben, und es hat davon auch nie genug. Die monatliche Zahlung von Taschengeld hat sich daher als konfliktträchtig herausgestellt, denn das Pubertier ist spätestens am fünften Tag eines Monats mit einer gewissen Hartnäckigkeit der Ansicht, es habe noch gar kein Geld erhalten. Nach elfminütiger Diskussion und der Einsicht, hier nichts reißen zu können, verlegt sich das Pubertier auf den Standpunkt, der Monat sei quasi vorbei und es müsse daher bereits das Taschengeld für den nächsten Monat zur Auszahlung kommen. Nachdem auch diese Volte nicht verfängt, beginnt es zu jammern und zu klagen.
Der Versuchsleiter setzt Argument B 76 a ein, welches lautet: «Du musst eben vernünftiger mit deinem Geld umgehen und es dir besser einteilen.» Darauf reagiert das Pubertier in der Regel mit Replik 3 und Replik 5 , welche lauten, dass Laura von ihren Eltern grundsätzlich mehr Geld bekomme und dass man sich daran ein Beispiel nehmen könne. Oder sie zielt darauf ab, dass der Versuchsleiter keine Ahnung habe von den Kosten, die einem Pubertier heutzutage entstünden (Replik 6 b).
Es ist dem Versuchsleiter gelungen, anhand der Äußerungen des Pubertiers den wöchentlichen Ausgabenplan des Versuchsobjektes beispielhaft zu rekonstruieren. Demnach nehmen die zehn Euro, die dem Pubertier inzwischen wöchentlich auf den Schreibtisch in der Versuchsanordnung gelegt werden, folgenden Weg: Zwei Euro werden zinslos und ohne Aussicht auf Rückzahlung an das angeblich so verwöhnte Pubertier Laura verliehen. 5 , 70
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