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Das Pubertier

Das Pubertier

Titel: Das Pubertier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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Seite aussähe? Sie hat bestimmt sehr schicke Freunde, mit denen sie gerne ausgeht. Manchmal verbringt sie ein Wochenende auf der Yacht eines russischen Oligarchen. Und ich darf mit. Sie kauft mir einen Zopfmusterpulli und bringt mir bei, wie man sein Glas richtig festhält, wenn Kate Moss und Gisele Bündchen an einem vorbeilaufen. Später unterhalten die Girls sich auf der Toilette, und Kate Moss sagt zu Gisele Bündchen:
    «Hast du Marie-Astrid gesehen? Sie hat wieder diesen alten deutschen Mann mitgebracht. Was sie an dem wohl findet?»
    «Keine Ahnung. Ist dir aufgefallen, dass er krümelt?»
    «Er krümelt?»
    «Allerdings, meine Liebe. Er leidet unter Halomonas Titanicae und ist dabei, zu zerbröseln wie ein Schiffswrack.»
    Hm. Ich glaube, wenn das so ist, bleibe ich lieber zu Hause und schalte schnell um, wenn Marie mit dem Spendierhöschen im Fernsehen kommt. Wer will schon zum Gespött von einem Pubertier und zwei Supermodels werden?

Gomez und Glyzinien
    Man tastet sich so durch die Pubertät des eigenen Kindes und beginnt nach einiger Zeit zu ahnen, dass diese länger dauern könnte als der Zweite Weltkrieg. Neulich las ich, dass es erst mit achtzehn wirklich vorbei sein soll. Und bei manchen Menschen dauert die Pubertät sogar Jahrzehnte, man denke nur an George W. Bush, Lothar Matthäus und Dieter Bohlen.
    Auch vor diesem Hintergrund muss man jeden Tag versuchen, das Beste draus zu machen. Man kann sich zum Beispiel im Baumarkt Ohrenschützer kaufen und diese beim Mittagessen tragen. Man sieht dann nur noch einen sprechenden Mund, ohne Sound. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere besteht darin, sich frohgemut und auf eine schöne Pointe hoffend mitten in den Strahl der pubertären Äußerungen zu stellen und einfach zu genießen. So mache ich das, wenn ich gute Laune habe.
    Die Diskussionen mit meiner Tochter haben inzwischen epische Ausmaße angenommen. Es geht um das sogenannte große Ganze, quasi um das komplette Schweinesystem – und um mich als Büttel und Symbol dieses Systems: Dauernd werde ich kritisiert.
    Für meine Eier zum Beispiel. Ich bereite täglich welche zu. Am Wochenende mache ich Spiegeleier, sonst Rühreier oder weiche oder welche im Glas. Letzte Woche stocherte Carla missgelaunt in ihren Spiegeleiern herum und verkündete, dass Moritz’ Vater sie viel besser zubereite, und zwar wie Erich Witzmann. Ich korrigierte sie dahingehend, dass sie möglicherweise Eckart Witzigmann meine, und sie verdrehte die Augen, weil es darauf ja wohl echt nicht ankomme.
    Dann schilderte sie, dass Moritz’ Vater zuerst den Eiweißspiegel in die Pfanne gieße und zart erhitze, anschließend das Weiße salze und erst danach das Eigelb vorsichtig zur finalen Ausbratung darauf platziere. Das sei wirklich delikat. Ich sah auf mein gummiartiges Spiegelei und bekam schlechte Laune. Soso, dachte ich, meine Eier sind dir also plötzlich nicht mehr gut genug. Man darf sich derartige Verletzungen nur nicht anmerken lassen.
    Die gemeinsamen Mahlzeiten in unserer Familie enden recht regelmäßig mit der Explosion unseres Pubertiers. Experten behaupten, dies sei ganz normal und in vielen Familien üblicher Brauch. Das gestrige Essen begann wie an jedem Abend der vergangenen Woche mit Planungsgesprächen zu Carlas Geburtstag, welcher im September stattfindet. Das Pubertier findet, man kann mit dem Dialog über die Länge der Gästeliste nicht früh genug beginnen. Außerdem will sie den Stein, den ich in puncto Alkoholerlaubnis darstelle, nun sechs Monate lang höhlen. Sie ist dabei nicht unerfolgreich, das muss ich ihr lassen.
    Ich begann am Dienstag mit einem kargen und grundsätzlichen «Nein» zum Alkohol. Ich finde, mit vierzehn Jahren kann man Cola trinken. Nach Debatten am Mittwoch, Donnerstag und Freitag sind wir bei einer kleinen Flasche Bier pro Gast angelangt, sofern er das vierzehnte Lebensjahr abgeschlossen hat.
    Nun die nächste Tochterfinte: Carla ist der Ansicht, dass es für Personen, die kein Bier mögen, ersatzweise Alcopops geben müsse. Ich zeigte ihr einen Vogel. Die sollen Cola ins Bier schütten, dann haben sie Alcopops. Das fand sie ungerecht. Überhaupt sei die Welt eine Drecksgegend für alle, die noch einen intakten Gerechtigkeitssinn hätten. Sie erzählte von einer Fotomontage bei Facebook. Darauf waren eine gefeuerte Kassiererin und ein zurückgetretener Bundespräsident zu sehen. Hier eine fristlose Entlassung nach einunddreißig Berufsjahren wegen zweier unterschlagener

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