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Das Pubertier

Das Pubertier

Titel: Das Pubertier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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sagte ich mit einer Zuversicht, deren Ursache ich in einer Plastiktüte dabeihatte. Und zu dem Baby: «Cheyenne Shakira, ich werde dich jetzt bis zum Kragen mit Kinderschokolade vollstopfen. Dann bekommst du Gummibärchen und Fanta, und du kannst aufbleiben, solange du willst.»
    «Das dürfen wir nicht», sagte die zuverlässige und freundliche Teenagerin.
    «Na und? Wir sind nicht ihre Erziehungsberechtigten. Wenn sie nicht wollen, dass Chucky, die Mörderpuppe, Kinderschokolade bekommt, sollen sie zu Hause bleiben.»
    Dann gingen wir ins Wohnzimmer und aßen alles auf, was ich von der Tanke mitgebracht hatte. Cheyenne Shakira bekam einen Zuckerschock und tanzte Lambada. Gegen 23 : 40  Uhr fiel sie nach einem Lachflash in einen ohnmachtsähnlichen Tiefschlaf. Mission accomplished, würde George W. Bush sagen.
    Ich trug sie in ihr Zimmer. Dann haute ich ab und beobachtete das Haus, bis die Eltern heimkamen. Fünf Minuten später klingelte ich, um meine Tochter abzuholen. Cheyenne Shakiras Eltern waren ganz begeistert von Carla. Solches Lob hört man als Vater gern.
    Carla gab mir tatsächlich die Hälfte ihres Honorars ab. Nächste Woche wollen Cheyenne Shakiras Eltern zu Semino Rossi. Das wird toll!

Mein Leben mit Marie
    Manchmal fühle ich mich wie Hannes Kröger, der singende Seemann. Dann wache ich auf und denke: Ich bin ein Wrack. Das muss das Alter sein. Als Wrack hat man ständig mit Angriffen auf die eigene Substanz zu kämpfen. Das ist wissenschaftlich bewiesen.
    Spanische Forscher haben gerade ein bisher unbekanntes Bakterium entdeckt, das sich rücksichtslos am Wrack der Titanic zu schaffen macht und es in Steinlausmanier zersetzt. Die Forscher haben das Bakterium auf den Namen «Halomonas Titanicae» getauft. Bisher scheint Halomonas Titanicae nur unter Wasser seinem entsetzlichen Werk nachzugehen, aber wer weiß? Wrack ist Wrack. Vielleicht nagt dieses Bakterium bereits an mir. Man muss wachsam sein.

    Ja, das Alter nagt an mir. Man wird zum Beispiel alt, wenn man weniger Anrufe bekommt als seine Tochter. Bis vor wenigen Monaten konnte ich eigentlich sicher sein, dass ich gemeint war, wenn mein Telefon klingelte. Aber das hat sich dramatisch geändert, und die Anzahl der für mich eingehenden Anrufe nimmt in dem Maß ab, wie die für meine Tochter bestimmten zunehmen.
    Interessanterweise geht unser Pubertier aber nie dran, wenn es klingelt. Carla behauptet, es sei schließlich mein Telefon. Also gehe ich dran, und es ist für sie. Irgendein Martin. Oder eine Louise. Oder ein Lennart. Oder der weiterhin um Carla kämpfende Moritz. Wenn sie eines Tages ausgezogen ist, werden noch jahrelang Anrufe für sie eingehen, das Klingeln wird zu einer Art Phantomschmerz werden. Aber meistens wird das Telefon schweigen, es sei denn, ich rufe bei der Hotline eines Verkaufssenders an, um einen Tischgrill von George Foreman zu bestellen.
    Und dann ist da noch eine weitere Erkenntnis, das Altern betreffend, und die lässt mich hadern: Man wird alt, wenn man sich in zwanzig Jahre jüngere Frauen verknallt. Das habe ich gerade getan.
    Anstatt wie jeder normale Mann alte Bundestagsdebatten auf Phoenix anzugucken, ziehe ich mir tatsächlich jeden Sonntag die Fußballrunde bei Sport  1 rein, weil zwischendurch wer kommt? Genau: Marie mit dem Spendierhöschen. Sie macht Werbung für ein Vergleichsportal. Ich weiß nicht, was das ist, und es ist mir auch egal, aber Marie mit dem Spendierhöschen ist der Hammer. Ich habe den Spot ungefähr viertausend Mal angesehen, und Marie ist so was von entzückend. Eine Frau, für die ein Kardinal Kirchenfenster eintreten würde.
    Ich habe also bei der Werbeagentur angerufen, die den Spot hergestellt hat, weil ich wissen wollte, ob eventuell eine Möglichkeit besteht, Marie einen Drink zu spendieren. Ich würde dafür meine Spendierhöschen anziehen. Das ist natürlich furchtbar. Als ich beim Essen davon erzählte, schüttelte sich Carla vor lauter Ekel vor ihrem derbe peinlichen Alten. Aber erstens gehören Recherchen zu meinem Beruf, und zweitens bedeutet würdevolles Altern, an beklemmenden Selbstbeobachtungen nicht zu verzweifeln und sie mit seiner Familie zu teilen.
    Die Auskunft der Werbeagentur war ernüchternd. Eine Kontaktaufnahme wird schon an der Sprachbarriere scheitern, denn Marie ist eine französische Schauspielerin und Ballett-Tänzerin. Sie heißt Marie-Astrid Jamois, und ich glaube, sie will gar nicht mit einem deutschen Wrack ausgehen.
    Wie wohl ein Leben an ihrer

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