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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Genius erleuchtete Orffyreus – das bin ich – erstmals der Öffentlichkeit das triumphierende Perpetuum mobile präsentiert!«
    Die Ankündigung ging in der Geräuschkulisse unter. Auf die Rufe aus den letzten Reihen, was man denn genau präsentieren würde, rief von vorne jemand: »Peter der Mollige«, die hinten Stehenden verstanden »destillierten Äther aus Wolle«. Das Gedränge nahm weiter zu.
    Fahrende Händler oder Gaukler kamen gerade in den Sommermonaten immer wieder nach Gera, um ihre Wunderwaren feilzubieten oder gegen ein paar Pfennige aufsehenerregende Attraktionen aus aller Welt zu präsentieren. Nach den verheerenden Bränden, die in den letzten Jahren große Teile der Stadt heimgesucht hatten, gierte das Volk nach jeder Ablenkung, die sich ihm bot.
    Der Aussteller, der sich heute an sie wandte, hatte in den beiden Tagen zuvor unter größter Geheimhaltung ein gewaltiges Rad aus Holz auf dem Podium errichtet. Es war so groß wie zwei ausgewachsene Männer und ruhte auf einer Holzachse zwischen zwei starken Pfosten. Dabei maß es in der Tiefe etwa vierzehn Zoll und glich in seinem Aufbau somit eher einer Trommel. Beide Seiten des Rades waren mit dünnen Holzbrettern vernagelt. Von dem Rad führten Streben in das Innere eines Kastens, der mit einem Wachstuch verhängt war, um neugierige Blicke abzuwehren.
    Nachdem die Menge sich endlich beruhigt hatte, fuhr der Mann, der sich Orffyreus genannt hatte, mit seiner Ankündigung fort.
    »Sogleich, mein wertes Publikum, werde ich, Orffyreus, dieses Rad anstoßen, und zwar mit dieser Hand.« Bei diesen Worten reckte er seine Hand wie ein Ertrinkender in die Höhe und streckte sie theatralisch nach allen Seiten aus. Plötzlich herrschte absolute Stille.
    »Das Rad wird sich dann zu drehen beginnen, und zwar in jene Richtung.« Bei diesen Worten wandte der Mann seinen Körper mit einer raschen Bewegung nach links und zeigte in eine der schmalen Gassen hinauf zur Mühle. Alle Blicke folgten seinem Zeigefinger.
    »Und dann, verehrte Augenzeugen, wird das Rad sich …« – er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr – »… weiterdrehen.«
    Ein Stöhnen ging durchs Publikum.
    »Und weiterdrehen …«
    Jetzt war nur noch ein deutlich leiseres Raunen zu vernehmen. Dann aber wurden die Zuschauer unruhig und begannen, sich aufgeregt miteinander zu unterhalten.
    Ein schlaksiger Kerl, der auf einen Marktstand geklettert war, krakeelte mit heiserer Stimme: »Ein drehendes Rad? Was soll denn daran besonders sein?«
    Andere stimmten ihm zu.
    Von irgendwo flog ein brauner Kohlkopf auf die Bühne, der Orffyreus aber weit verfehlte.
    Der fremde Aussteller erstarrte in diesem Moment. Er schloss die Augen, breitete die Arme aus, als würde er gleich zum Himmel emporfahren, und rief mit donnernder Stimme: »Schweigt, Ihr verdammten Sünder! Sonst wird der Herr Euch alle bestrafen!«
    Augenblicklich herrschte wieder gespenstische Ruhe auf dem Platz.
    »Das Rad …«, schrie Orffyreus, wobei seine Schlagader und die Sehnen am Hals hervortraten, »dieses Rad, welches ich erfunden habe, wird, wenn es von mir einmal angestoßen wurde, nie wieder anhalten! Es wird sich bis in alle Ewigkeit weiterdrehen! Selbst dann noch …« – er öffnete wieder die Augen und lehnte sich weit nach vorn, wodurch er in das Publikum zu fallen drohte –, »… wenn Ihr alle bereits tot und verfault seid!«
    Bei den Worten »tot« und »verfault« stöhnte die Menge auf.
    »Was Ihr Unwissenden hier seht, ja sehen dürft, ist ein Perpetuum mobile! Eine Apparatur, in der sich die göttliche Kraft, die Ewigkeit auf Erden manifestiert! Und ich habe sie erfunden! Ich – Orffyreus!« Bei den letzten Worten fasste er sich an die Brust und schaute ergriffen in den bewölkten Himmel.
    Erstmals wichen die Zuschauer ein wenig vom Podium zurück, sodass sich die Welle zusammengepresster Leiber nun von vorn nach hinten über den Platz ausbreitete.
    »Wenn Ihr also Gott sehen wollt, und zwar hier und jetzt, dann gebt einen kleinen Obolus in die Beutel meiner Gehilfen. Wenn die Beutel ausreichend gefüllt sind, um dem Herrn gerecht zu werden, werde ich mit dieser Hand das Rad anstoßen. Und Ihr werdet Zeuge der göttlichen Energie und Unendlichkeit!«
    Wieder zeigte Orffyreus seine Hand, schloss die Augen und verharrte in dieser Pose auf dem Podium, als sei er in Stein gegossen worden. Gleichzeitig drängten sich mit spitzen Ellbogen vier schmutzige Burschen in abgewetzter Kleidung durch die Menge und

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