Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Patentanwalt«, sagte ich in einem ruhigen, sachlichen Ton. »Schildern Sie mir bitte einfach den Fall, und ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.«
»Endlich wird er ärgerlich!«, spottete mein Mandant und drehte sich zu seiner Ehefrau, die jedoch nicht darauf reagierte. »Nun gut«, meinte er daraufhin und richtete den Blick wieder auf mich; hinter der Sonnenbrille konnte ich seine Augen allerdings nur erahnen.
»Ich bin im Besitz eines Patents. Und dieses wird von einem Unternehmen verletzt. Und das müssen Sie bitte beenden.« Er hatte diese Sätze betont leise gesprochen, nun aber fügte er laut aufbrausend hinzu: »Und bei der Gelegenheit beenden Sie das Unternehmen, das mein Patent verletzt, bitte auch gleich mit! Pfänden Sie dort alles, was es zu holen gibt. Ich werde Ihnen eine Liste mit Gegenständen zur Verfügung stellen.«
Er schlug mit der Hand auf den Tisch. Ich registrierte, wie seine Ehefrau kaum merklich den Kopf schüttelte.
Die Geschichte, die ich in der nächsten Stunde mit viel Geduld aus meinem Mandanten wie aus einer alten, trockenen Zitrone herauspresste, unterschied sich nicht allzu sehr von den anderen Geschichten, die wir in der Kanzlei täglich hörten. Lediglich die Art, wie sie erzählt wurde, war lauter und ordinärer.
Der Mandant hatte das Patent vor Jahren von einem Maschinenbauunternehmen erworben. Dessen Betriebsinhaber, der sich mit dem Verkauf des Patents vor der sicheren Insolvenz retten wollte, verstarb kurze Zeit danach. Nun hatte mein Mandant herausgefunden, dass die Ehefrau des Verstorbenen den Betrieb übernommen und die Produktion weitergeführt hatte, ohne sich um den Verlust des Patents zu kümmern. Es war nun die Aufgabe unserer Kanzlei, die Frau abzumahnen und auf Schadensersatz zu verklagen. Ziel sollte es sein, die Patentverletzung zu unterbinden und, so mein Mandant, die Unternehmerin finanziell zu ruinieren. Auf meinen zaghaften Versuch hin, gegen diesen martialischen Wunsch zu intervenieren, hielt er mir einen Vortrag über die freie Marktwirtschaft und einen gesunden Darwinismus in einem solchen System. Schließlich gelang es mir, unter Hinweis auf die letzte Erhöhung unseres Stundenhonorars und die bereits verstrichene Zeit ihn samt Ehefrau und Hund aus dem Konferenzraum und auch aus der Kanzlei zu komplimentieren.
Zurück in meinem Büro schlich ich eine Weile um den Schreibtisch herum und starrte dabei immer wieder aus dem Fenster. Meinem Büro gegenüber lag der Containerhafen, und ich konnte beobachten, wie die riesigen, auf Schienen hin-und herfahrenden Kräne einen riesigen Behälter nach dem anderen von den Schiffen hoben und auf Bahnwaggons oder die Auflieger von Sattelzügen verluden.
Ich musste an Marie denken. Jedes Mal wenn wir von Süden den Elbtunnel erreichten und dabei die riesigen Containertürme passierten, sah sie lange auf die Stapel aus bunten Stahlkästen und wünschte sich, irgendeinen der Container mitnehmen zu können.
»Was da wohl drin ist?«, hatte sie dann gefragt und fast sehnsüchtig hinzugefügt: »Vielleicht Tausende von Schuhe oder ein Auto?«
»Oder eine Ladung trommelnder Batterie-Häschen aus China«, hatte ich grinsend geantwortet.
Marie aber war ernst geblieben. »Es wäre reine Glückssache, wenn man einen auswählt. Wenn man Pech hat, ist er sogar leer.«
Marie und ich waren inzwischen seit über einem Jahr getrennt. Und da sie die Beziehung für mich vollkommen überraschend beendet hatte, tat mir die Erinnerung an sie immer noch weh. Ich hatte schon seit vielen Monaten nichts mehr von ihr gehört. Seit der Trennung hatte ich mir vorgenommen, ihr einen Container ohne Absender zu schenken, sollte ich jemals zu sehr viel Geld kommen. Ich stellte mir vor, wie ich in den Hafen ging, wahllos einen aussuchte und ihn kaufte. Hoffentlich erwischte ich dann keinen leeren.
Während mir diese Gedanken durch den Kopf gingen, hatte ich den Schreibtisch ein weiteres Mal umrundet und blickte auf die rote Akte vor mir, die ich von der Patentanwaltsgehilfin zu dem Fall hatte anlegen lassen. Ich schlug sie auf. Ganz oben lag ein Schreiben meines Mandanten, das dieser selbst verfasst hatte, gerichtet an »die Patentverletzerin«. Weiter hieß es: »Dies ist die letzte Warnung. Solltest Du Miststück die Patentverletzung nicht einstellen, werde ich die Angelegenheit meinem Anwalt übergeben und dafür sorgen, dass Du in diesem Leben nicht mehr glücklich wirst. Denk daran, was mit Siggi geschehen ist. Ansgar.« Der
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