Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
sie Halima gegenüberstand.
»Ihr scheint heute Morgen bekümmert zu sein, Mutter«, murmelte die Frau mit den grünen Augen, »und Ihr seid so früh zu Eurem Ausritt herausgeschlüpft und habt versucht, mich nicht zu wecken. Ich dachte, Ihr würdet vielleicht gern reden. Ihr würdet nicht so oft Kopfschmerzen bekommen, wenn Ihr mehr über Eure Sorgen sprechen würdet. Ihr wisst ja, dass Ihr mit mir sprechen könnt.« Halima betrachtete Siuan, die den Blick verächtlich erwiderte, dann lachte sie erneut kehlig. »Und Ihr wisst, dass ich keine Hintergedanken habe, im Gegensatz zu anderen.« Siuan schnaubte erneut und beschäftigte sich damit, die Mappe auf den Schreibtisch zu legen, genau zwischen dem steinernen Tintenfässchen und dem Sandstreuer. Sie fummelte sogar an dem Federhalter herum.
Es kostete Egwene Mühe, nicht zu seufzen. Große Mühe. Halima bat um nichts als einen Schlafplatz in Egwenes Zelt, sodass sie da sein konnte, wenn Egwene Kopfschmerzen bekam, doch ihre Anwesenheit musste mit ihren Pflichten für Delana kollidieren. Davon abgesehen mochte Egwene ihre offene Art. Es fiel leicht, sich mit Halima zu unterhalten und eine Weile zu vergessen, dass sie der Amyrlin-Sitz war, eine Entspannung, die ihr nicht einmal Siuan bieten konnte. Sie hatte zu hart dafür gekämpft, um als Aes Sedai und Amyrlin anerkannt zu werden, doch ihre Position war bestenfalls unsicher. Jeder Fehler, die Amyrlin zu sein , würde den nächsten und den übernächsten Fehler einfacher machen, bis man sie wieder als ein Kind ansehen würde, das ein Spiel spielte. Das machte Halima zu einem Luxus, den man schätzen musste, ganz davon abgesehen, was ihre Finger bei Egwenes Kopfschmerzen auszurichten vermochten. Zu ihrem Unmut schien aber jede andere Frau im Lager Siuans Ansicht zu teilen, ausgenommen vielleicht Delana. Die Graue war zu prüde, um ein leichtes Mädchen zu beschäftigen, ganz egal, zu welchen Almosen sie sich auch immer verpflichtet glaubte. Aber ob die Frau nun Jagd auf Männer machte oder sie bloß straucheln ließ, stand jetzt nicht zur Debatte.
»Ich fürchte, ich muss arbeiten, Halima«, sagte sie und zog die Handschuhe aus. An den meisten Tagen war es ein Berg von Arbeit. Von Sheriams Berichten war natürlich noch keine Spur zu sehen, aber sie würde sie bald schicken, zusammen mit ein paar Petitionen, von denen sie glaubte, dass sie Egwenes Aufmerksamkeit wert waren. Nur ein paar, zehn oder zwölf Appelle für die erneute Überprüfung von Beschwerden, und es wurde von Egwene erwartet, über jede als Amyrlin zu urteilen. Das konnte man nicht ohne genaues Studium der Fakten tun, nicht, wenn man eine gerechte Entscheidung treffen wollte. »Vielleicht könnt Ihr ja mit mir essen.« Falls sie rechtzeitig fertig war, um nicht hier an ihrem Schreibtisch im Studierzimmer essen zu müssen. Es ging bereits auf den Mittag zu. »Dann können wir uns unterhalten.«
Halima setzte sich abrupt auf, mit blitzenden Augen und zusammengepressten Lippen, doch ihre finstere Miene verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Aber in ihrem Blick verblieb ein Lodern. Wäre sie eine Katze gewesen, hätte sie den Rücken gekrümmt und den Schwanz wie eine Flaschenbürste gesträubt. Sie erhob sich anmutig und glättete das Kleid über den Hüften. »Nun gut. Wenn Ihr sicher seid, dass ich nicht bleiben soll.«
Erstaunlicherweise setzte in diesem Moment hinter Egwenes Augen ein dumpfes Pochen ein, der viel zu vertraute Vorbote schrecklicher Kopfschmerzen, aber sie schüttelte trotzdem den Kopf und wiederholte, dass sie zu arbeiten hatte. Halima zögerte noch einen Augenblick, ihre vollen Lippen verzogen sich erneut zu einem schmalen Strich, ihre Hände verkrallten sich in ihre Röcke, dann riss sie ihren pelzgefütterten Seidenumhang vom Kleiderständer und stolzierte aus dem Zelt, ohne ihn sich über die Schultern zu legen. Sie hätte krank werden können, wenn sie so in die Kälte hinausging.
»Früher oder später wird sie dieses Fischweib-Temperament in die Bredouille bringen«, murmelte Siuan, bevor die Eingangsplanen aufhörten, hin und her zu schwingen. Sie sah Halima finster hinterher und rückte die Stola auf ihren Schultern zurecht. »In Eurer Anwesenheit hält sich die Frau zurück, aber mir gegenüber nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Und das gilt auch für andere. Man munkelt, dass sie Delana angeschrien hat. Wer hätte je von einer Sekretärin gehört, die ihre Arbeitgeberin anbrüllt, und dann auch noch eine
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