Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Schwester? Eine Sitzende! Ich verstehe nicht, warum sich Delana mit ihr abgibt.«
»Das ist Delanas Sache.« Die Handlungen einer anderen Schwester infrage zu stellen war genauso verboten, wie sich darin einzumischen. Zwar nur vom Brauchtum her und nicht durch das Gesetz, aber manche Verhaltensregeln waren so stark wie das Gesetz. Sicherlich musste sie Siuan daran nicht erinnern.
Egwene rieb sich die Schläfen und setzte sich vorsichtig auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch, aber der Stuhl wackelte trotzdem. Dafür gemacht, zusammengeklappt auf einem Wagen transportiert werden zu können, hatten die Beine die Neigung, immer dann zusammenzuklappen, wenn sie es nicht sollten, und keinem der Handwerker war es trotz mehrmaliger Bemühungen gelungen, sie zu reparieren. Der Tisch ließ sich auch zusammenklappen, war aber stabiler. Sie wünschte sich, sie hätte in Murandy die Gelegenheit genutzt, einen neuen Stuhl zu besorgen, aber es hatten so viele Dinge gekauft werden müssen, und das Geld war so knapp gewesen, und schließlich hatte sie ja einen Stuhl. Immerhin hatte sie zwei Stehlampen und eine Tischlampe bekommen, alle drei aus einfachem rot lackiertem Eisen, aber mit guten Spiegeln, die frei von Blasen waren. Gutes Licht schien ihren Kopfschmerzen nicht zu helfen, aber es war besser, als bei ein paar Talgkerzen und einer Laterne lesen zu müssen.
Falls Siuan die Zurechtweisung gehört hatte, ging sie darüber hinweg. »Es ist mehr als nur ihr Temperament. Ich glaube, ein- oder zweimal stand sie kurz davor, mich zu schlagen. Vermutlich hat sie genug Verstand, um sich zu mäßigen, aber nicht jeder ist Aes Sedai. Ich glaube, sie hat einem Wagner den Arm gebrochen. Er hat gesagt, er sei gestürzt, aber meines Erachtens war das eine Lüge, so wie er meinem Blick auswich. Aber er würde auch nicht zugeben wollen, dass eine Frau ihm den Ellbogen nach hinten biegen kann, oder?«
»Lasst es gut sein, Siuan«, sagte Egwene müde. »Der Mann hat vermutlich versucht, sich ein paar Freiheiten herauszunehmen.« Das musste es gewesen sein. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie Halima einem Mann den Arm brechen sollte. Wie auch immer man die Frau beschrieb, das Wort muskulös spielte dabei keine Rolle.
Statt die Ledermappe zu öffnen, die Siuan auf den Tisch gelegt hatte, presste sie die Hände zu beiden Seiten auf die Tischplatte. Sie hielt sie von ihren Schläfen fern. Vielleicht würden die Schmerzen dieses Mal verschwinden, wenn sie sie ignorierte. Außerdem hatte ausnahmsweise einmal sie Informationen, die sie mit Siuan teilen konnte. »Es hat den Anschein, als würden es ein paar Sitzende gutheißen, mit Elaida Verhandlungen aufzunehmen«, begann sie.
Siuan setzte sich ausdruckslos auf einen der dreibeinigen Hocker vor dem Tisch und hörte aufmerksam zu, bis Egwene geendet hatte; allein ihre Finger bewegten sich und strichen leicht über ihre Röcke. Dann ballte sie sie zu Fäusten und stieß eine Reihe von Flüchen aus, die selbst für sie erstaunlich waren, sie fing mit dem Wunsch an, dass der ganze Haufen an wochenalten Fischgräten erstickte, und dann wurde sie ordinär. Dies aus dem Munde dieser jungen hübschen Frau zu hören machte es nur noch schlimmer.
»Ich schätze, es war richtig von Euch, der Sache ihren Lauf zu lassen«, murmelte sie, nachdem ihr Ausbruch sein Ende gefunden hatte. »Es wird sich herumsprechen, da es einmal angefangen hat, und so habt Ihr einen Vorsprung. Vermutlich sollte mich die Sache mit Beonin nicht überraschen. Beonin ist ehrgeizig, aber ich war immer der Ansicht, dass sie zu Elaida zurückgewinselt wäre, hätten Sheriam und die anderen ihr nicht den Rücken gestärkt.« Siuan richtete den Blick auf Egwene, als sie schneller sprach, so als wollte sie ihnen mehr Gewicht verleihen. »Ich wünschte, Varilin und dieser Haufen würden mich überraschen, Mutter. Die Blauen nicht mitgezählt, sind nach Elaidas Staatsstreich …« – ihr Mund verzog sich leicht bei dem letzten Wort – »… sechs Sitzende aus fünf Ajahs aus der Burg geflogen, und hier haben wir eine aus jeder der fünf. Ich war vergangene Nacht im Tel’aran’rhiod , in der Burg …«
»Ich hoffe, Ihr wart vorsichtig«, sagte Egwene scharf. Manchmal schien Siuan die Bedeutung des Wortes Vorsicht nicht zu kennen. Für die wenigen Traum- Ter’angreale in ihrem Besitz standen die Schwestern Schlange, um sie benutzen zu dürfen, hauptsächlich, um die Burg zu besuchen, und auch wenn man Siuan die Benutzung nicht
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