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Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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nichts.«
    »Mehr wollt Ihr nicht?«, fragte Siuan trocken. »Vor dem Mittagessen, oder reicht es auch danach?«
    »Danach wird wohl reichen«, fauchte Egwene und holte tief Luft, als sie den verlegenen Gesichtsausdruck der anderen Frau sah. Es war sinnlos, ihre Kopfschmerzen an Siuan auszulassen. Die Worte einer Amyrlin hatten Macht und manchmal auch Konsequenzen; das durfte sie nicht vergessen. »Es wäre schön, wenn Ihr Euch so bald wie möglich darum kümmern könntet«, sagte sie in sanfterem Tonfall. »Ich weiß, dass Ihr so schnell machen werdet, wie Ihr könnt.«
    Zerknirscht oder nicht, Siuan schien zu verstehen, dass an Egwenes Ausbruch nicht nur ihr Sarkasmus schuld war. Trotz ihres jugendlichen Erscheinungsbildes hatte sie jahrelange Übung darin, in Gesichtern zu lesen. »Soll ich Halima holen?«, fragte sie und machte Anstalten aufzustehen. Die fehlende Schärfe in Verbindung mit dem Namen der Frau war ein Zeichen ihrer Sorge. »Es würde keine Minute dauern.«
    »Wenn ich jedem Schmerz nachgebe, komme ich nie voran«, sagte Egwene und öffnete die Mappe. »Nun, was habt Ihr heute für mich?« Sie ließ die Hände aber auf den Papieren liegen, um sich nicht die Stirn zu reiben.
    Eine von Siuans morgendlichen Aufgaben bestand darin, das zu sammeln, was die Ajahs von ihren Netzwerken aus Augen-und-Ohren zu teilen bereit waren, zusammen mit dem, was einzelne Schwestern ihrer Ajah mitgeteilt hatten und was die Ajahs an Egwene weitergaben. Es war ein seltsamer Aussiebprozess, aber wenn man Siuans Informationen noch dazunahm, ergab es ein recht stimmiges Bild der Welt. Es war ihr gelungen, die Agenten zu behalten, die sie als Amyrlin gehabt hatte, indem sie sich trotz sämtlicher Bemühungen des Saals einfach geweigert hatte, ihre Namen preiszugeben, und letztlich konnte keiner bestreiten, dass diese Augen-und-Ohren der Amyrlin gehörten und sie von Rechts wegen Egwene Bericht erstatten mussten. Oh, das Murren hatte kein Ende gefunden, bis heute nicht, aber keiner konnte die Fakten bestreiten.
    Wie gewöhnlich kam der erste Bericht weder von den Ajahs oder Siuan, sondern von Leane, in schwungvoller, eleganter Handschrift auf dünne Blätter Papier geschrieben. Egwene vermochte den Grund dafür nicht zu benennen, aber keiner konnte bezweifeln, dass das, was Leane schrieb, von jemand anderem als einer Frau geschrieben worden war. Die gelesenen Seiten hielt Egwene sofort an die Flamme der Schreibtischlampe und ließ das Papier bis fast zu ihren Fingern brennen, dann zerrieb sie die Asche. Es wäre sinnlos gewesen, in der Öffentlichkeit so zu tun, als wären Leane und sie fast Fremde, und dann einen ihrer Berichte in die falschen Hände geraten zu lassen.
    Nur wenige Schwestern wussten, dass Leane in Tar Valon eigene Augen-und-Ohren hatte. Möglicherweise war sie die einzige Aes Sedai, die dort Spione hatte. Es war ein menschlicher Fehler, die Geschehnisse am Ende der Straße aufmerksam zu beobachten und gleichzeitig das zu ignorieren, was vor den eigenen Füßen passierte, und das Licht wusste, dass Aes Sedai genauso viele Fehler hatten wie jeder andere Mensch auch. Unglücklicherweise hatte Leane wenig Neues zu berichten.
    Ihre Leute in der Stadt beschwerten sich über schmutzige Straßen, die nach Einbruch der Dunkelheit immer gefährlicher wurden und tagsüber auch nicht viel sicherer waren. Einst hatte man in Tar Valon keine Verbrechen gekannt, aber jetzt kümmerten sich die Burgwächter nicht länger um die Straßen und patrouillierten am Hafen und an den Brückentürmen. Abgesehen vom Eintreiben der Zölle und dem Kauf von Vorräten schien sich die Weiße Burg völlig von der Stadt abgeschottet zu haben. Die großen Burgtore blieben verriegelt, und seit Beginn der Belagerung war keine Schwester mehr außerhalb der Burg gesehen worden, wenn nicht sogar schon früher. Alles Bestätigungen von Leanes früheren Berichten. Allerdings ließ die letzte Seite Egwene dann doch die Brauen heben. Gerüchte auf der Straße besagten, dass Gareth Bryne einen geheimen Weg in die Stadt hineingefunden hatte und jeden Tag mit seinem ganzen Heer innerhalb der Mauern erscheinen würde.
    »Leane hätte gesagt, wenn jemand auch nur ein Wort geflüstert hätte, das so ähnlich wie Wegetor klingt«, sagte Siuan schnell, als sie Egwenes Ausdruck sah. Sie hatte die Berichte natürlich gelesen und wusste anhand der Seite, die Egwene hielt, worum es gerade ging. Siuan rutschte auf dem wackeligen Hocker herum und wäre beinahe auf

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