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Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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gaben. Eine kleine Auslassung hier, dort ein Hauch von Unbestimmtheit, und die ganze Bedeutung dessen, was man sagte, konnte auf den Kopf gestellt werden, dabei sagte man die ganze Zeit die Wahrheit.
    Akarrin sagte ihren Spruch laut und etwas ungeduldig auf, die anderen fünf mit unterschiedlichen Graden an Feierlichkeit. Viele Schwestern waren in ihrem ganzen Leben kein einziges Mal dazu aufgerufen worden, vor dem Saal Zeugnis abzulegen. Aledrin wartete, bis die Letzte jedes Wort wiederholt hatte, bevor sie zu ihrer Bank zurückmarschierte.
    »Sagt uns, was Ihr gesehen habt, Akarrin«, forderte Moria sie auf, sobald sich die Weiße Sitzende abgewandt hatte. Aledrin versteifte sich sichtlich, und als sie ihren Platz einnahm, war ihr Gesicht völlig ausdruckslos, aber auf ihren Wangen brannten helle Flecken. Moria hätte warten müssen. Sie musste sehr ungeduldig sein.
    Nach der Tradition – es gab viel mehr Traditionen und Verhaltensregeln als Gesetze, und das Licht wusste, dass es mehr Gesetze gab, als jeder tatsächlich kannte, oftmals auch widersprüchliche Gesetze, die im Laufe der Jahrhunderte erlassen worden waren, aber Traditionen und Regeln bestimmten das Leben der Aes Sedai genauso sehr, wie es die Gesetze der Burg je getan hatten, vielleicht sogar noch mehr – nach der Tradition richtete Akarrin ihre Ansprache an den Amyrlin-Sitz.
    »Was wir gesehen haben, Mutter, war ein ungefähr rundes Loch im Boden«, sagte sie und nickte bei fast jedem Wort, um es zu unterstreichen. Sie schien die Worte sorgfältig auszuwählen, als wollte sie sichergehen, dass sie auch jeder verstehen konnte. »Möglicherweise war es ursprünglich ein genauer Kreis, wie die Hälften einer Kugel geformt, aber an einigen Stellen sind die Seiten eingebrochen. Das Loch hat etwa einen Durchmesser von drei Meilen und ist vermutlich anderthalb Meilen tief.« Jemand keuchte laut auf, und Akarrin runzelte die Stirn, als hätte derjenige absichtlich versucht, sie zu unterbrechen. Sie machte jedoch ohne Pause weiter. »Wir konnten die Tiefe nicht genau bestimmen. Der Grund ist voller Wasser und Eis. Wir sind der Meinung, dass daraus ein See entstehen wird. Wie dem auch sei, wir konnten unsere Position ohne allzu große Schwierigkeiten bestimmen, und dieses Loch befindet sich an der Stelle, an der sich einst die Stadt Shadar Logoth erhob.« Sie verstummte, und einen langen Augenblick war nur das Rascheln von Röcken zu hören, als Aes Sedai unbehaglich auf ihren Plätzen hin und her rutschten.
    Auch Egwene hielt es kaum auf ihrem Sitz. Beim Licht, ein Loch von dieser Größe würde die Hälfte von Tar Valon einnehmen! »Habt Ihr irgendeine … Idee, wie dieses … Loch erschaffen wurde, Akarrin?«, fragte sie schließlich. Sie war ziemlich stolz darauf, wie beherrscht ihre Stimme klang. Sheriam zitterte doch tatsächlich am ganzen Leib! Egwene hoffte, dass es sonst niemand bemerkte. Das Verhalten der Bewahrerin fiel immer auf die Amyrlin zurück. Wenn die Bewahrerin Angst zeigte, würden viele Schwestern glauben, dass Egwene Angst hatte, und diesen Eindruck wollte sie unter allen Umständen vermeiden.
    »Jede von uns wurde ausgewählt, weil wir die Fähigkeiten haben, Rückstände lesen zu können, Mutter. Und zwar besser als die meisten.« Also waren sie nicht nur ausgewählt worden, weil keine, die in der Macht stärker waren, interessiert waren. Darin lag eine Lektion. Was Aes Sedai taten, war selten so einfach, wie es auf den ersten Blick erschien. Egwene wünschte, sie müsste nicht immer wieder Lektionen neu erlernen, die sie bereits gemeistert geglaubt hatte. »Nisain ist von uns darin am besten«, fuhr Akarrin fort. »Mit Eurer Erlaubnis überlasse ich die Antwort ihr, Mutter.«
    Nisain glättete nervös den dunklen Wollrock und räusperte sich. Die schmächtige Graue mit dem kantigen Kinn und den überraschend blauen Augen hatte einen gewissen Ruf, was Gesetzesfragen und Verträge anging, aber es bereitete ihr offensichtlich Unbehagen, vor dem Saal zu sprechen. Sie blickte geradeaus auf Egwene, als wollte sie die versammelten Sitzenden nicht sehen. »Nach der Menge an Saidar zu urteilen, das dort benutzt wurde, Mutter, war es keine Überraschung, dass die Rückstände beinahe so dicht wie der Schnee waren.« Da war mehr als nur ein Hauch von Murandy in ihrer Stimme. »Selbst nach so langer Zeit hätte ich fähig sein müssen, mir eine Vorstellung davon zu machen, was dort gewebt wurde, wenn es auch nur annähernd Ähnlichkeit mit etwas

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