Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
gegenüber stand Escaralde vor den mit Braun verkleideten Kästen und debattierte leise mit Takima. Diese war fast genauso klein wie Nisao, eine stille Frau, die an einen Vogel erinnerte, aber sie konnte energisch sein, wenn sie es wollte, und mit den in die Hüften gestemmten Fäusten sah sie wie ein wütender Spatz aus, dessen gesträubte Federn sie größer erscheinen ließen. Der Art und Weise nach zu urteilen, wie sie Berana immer wieder scharfe Blicke zuwarf, regte sie sich über die Sitzordnung auf. Natürlich war es zu spät, etwas daran zu ändern, aber Escaralde überragte Takima, als erwartete sie, für ihre Wahl kämpfen zu müssen. Es erstaunte Egwene, dass Escaralde das tun konnte. Sie zu überragen. Sie war sogar noch kleiner als Nisao. Es musste reine Willenskraft sein. Escaralde gab niemals nach, wenn sie glaubte, im Recht zu sein. Und sie glaubte immer, im Recht zu sein. Wenn Moria wirklich den sofortigen Angriff auf Tar Valon und Malind den Rückzug wollte, was wollte dann Escaralde?
Trotz Siuans Gerede, dass die Sitzenden vorgewarnt werden wollten, machte Egwenes Eintritt keinen großen Eindruck. Aus welchen Gründen Malind und die anderen auch immer den Saal zusammengerufen hatten, um Akarrins Bericht zu hören, sie hielten die Angelegenheit keineswegs für so brisant, dass sie allein für die Ohren der Sitzenden bestimmt sein sollte; hinter den Bänken der Sitzenden ihrer Ajah standen kleine Gruppen von Aes Sedai, und sie machten ihre Knickse, als Egwene über die Teppiche auf ihren Sitz zuging. Die Sitzenden selbst sahen sie bloß an oder neigten kurz den Kopf. Lelaine schaute sie kühl an und richtete die Aufmerksamkeit dann stirnrunzelnd auf Moria, eine ziemlich gewöhnlich aussehende Frau in einem blauen Wollgewand. Sie sah sogar so gewöhnlich aus, dass man die Alterslosigkeit ihres Gesichts auf den ersten Blick fast übersehen konnte. Sie starrte geradeaus, in die eigenen Gedanken versunken. Romanda gehörte zu denjenigen, die den Kopf ein wenig neigten. Im Saal war der Amyrlin-Sitz noch immer der Amyrlin-Sitz, aber etwas weniger als außerhalb. Nun, vielleicht etwas mehr als das, aber nicht viel. Siuan hatte gesagt, dass genauso viele Amyrlin gescheitert waren, die glaubten, die Sitzenden wären ihnen gleichgestellt, wie jene, die den Unterschied für größer hielten, als er tatsächlich war. Es war, als würde man auf einer schmalen Mauer laufen, während zu beiden Seiten wilde Hunde lauerten. Man behielt vorsichtig sein Gleichgewicht bei und versuchte, den Blick mehr auf die Füße als auf die Hunde gerichtet zu halten. Aber man war sich der Hunde immer bewusst.
Egwene nahm den Umhang ab, als sie auf den gestreiften Kasten stieg, faltete ihn zusammen und legte ihn auf den Sitz, bevor sie Platz nahm. Die Bänke waren hart, und einige Sitzende brachten Kissen mit, wenn sie eine lange Sitzung erwarteten. Egwene zog es vor, das nicht zu tun. Die eingeschränkte Sprechzeit hielt mindestens ein oder zwei Frauen nie davon ab, ihre Kommentare in die Länge zu ziehen, und ein harter Sitz konnte helfen, dass man während des Schlimmsten wach blieb. Sheriam nahm die Position der Bewahrerin zu Egwenes Linken ein, und nun konnten sie nichts anderes tun als zu warten. Vielleicht hätte sie doch ein Kissen mitbringen sollen.
Die anderen Bänke füllten sich, aber sie taten es langsam. Aledrin und Saroiya hatten sich zu Berana gesellt; Aledrin war dick genug, um die anderen beiden schlank erscheinen zu lassen. Natürlich hatten die lotrechten Streifen aus weißen Schnörkeln auf Saroiyas Röcken ohnehin diese Wirkung, während Aledrins weite weiße Ärmel und der schneeweiße Streifen auf der Vorderseite ihres Kleids genau den gegenteiligen Effekt hatten. Der Art und Weise nach zu urteilen, wie sie die Köpfe einander zuwandten und den Blauen, Braunen und Grünen Blicke zuwarfen, versuchte jede von ihnen offensichtlich herauszufinden, ob die andere wusste, worum es hier ging. Varilin, eine rothaarige Frau, die wie ein Storchenweibchen aussah und größer als die meisten Männer war, hatte sich neben Kwamesa gesetzt. Sie richtete unablässig ihre Stola und ließ die Blicke von Moria zu Escaralde zu Malind und wieder zurück huschen. Magla, die ihre mit gelben Fransen versehene Stola fest um die breiten Schultern gewickelt hatte, und Faiselle, eine Domani mit kantigem Gesicht, die mit grüner Stickerei übersäte Seide trug, betraten gerade den Pavillon und ignorierten einander selbst dann, wenn sich
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