Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
um ein Heer über Hunderte von Meilen zu transportieren. Wir müssen mit Gesprächen beginnen, bevor sie sich dazu entscheiden, dieses Heer mit einem Wegetor nach Tar Valon zu bringen, oder alles ist verloren, selbst wenn wir gewinnen.«
Alviarin krallte die Fäuste in die Röcke und schluckte. Sie hatte das Gefühl, ihr würden gleich die Augen aus dem Kopf fallen. Die Rebellen kannten das Schnelle Reisen? Sie standen bereits vor Tar Valon? Und diese Närrinnen wollten reden? Sie konnte sorgfältig in die Wege geleitete Pläne sich wie Nebel im Sommer auflösen sehen. Vielleicht würde der Dunkle König ja doch zuhören, wenn sie besonders innig betete.
Elaidas finstere Miene hellte sich nicht auf, aber sie stellte die Elfenbeinschildkröte sehr sorgfältig ab, und ihre Stimme klang fast normal. So normal wie früher, bevor Alviarin sie an die Kandare genommen hatte, mit Stahl unter den sanften Worten. »Sind die Braunen und Grünen auch für Gespräche?«
»Die Braunen«, begann Shevan, schürzte dann nachdenklich die Lippen und änderte offensichtlich das, was sie hatte sagen wollen. Nach außen hin schien sie völlig gelassen zu sein, aber sie rieb unbewusst mit den langen Daumen über die knochigen Zeigefinger. »Die Haltung der Braunen ist ziemlich sicher, was die historischen Präzedenzfälle angeht. Ihr habt alle die geheimen Chroniken gelesen oder hättet es tun sollen. Wann auch immer die Burg in sich gespalten war, hat die Welt eine Katastrophe erlebt. Da die Letzte Schlacht droht, und überdies in einer Welt, in der es die Schwarze Burg gibt, können wir es uns nicht länger leisten, auch nur einen Tag länger als nötig gespalten zu sein.«
Es erschien kaum möglich, dass Elaidas Gesicht noch dunkler wurde, aber die Erwähnung der Schwarzen Burg brachte es zustande. »Und die Grünen?« Ihre Stimme war noch immer beherrscht.
Alle drei Sitzenden der Grünen waren da, was auf eine starke Unterstützung ihrer Ajah hinwies, oder auf starken Druck von der Anführerin der Grünen. Als Älteste hätte Talene Elaida antworten müssen – Grüne hielten sich in allem an ihre Hierarchie –, aber aus irgendeinem Grund sah die hochgewachsene, blonde Frau Yukiri an und dann Doesine, was genauso seltsam war; sie schaute zu Boden und zupfte an ihrem grünen Seidenrock herum. Rina legte leicht die Stirn in Falten und rümpfte verwirrt die Nase, aber sie trug die Stola nicht mal fünfzig Jahre, also blieb nur Rubinde übrig, um auf die Frage zu antworten. Rubinde machte neben Talene einen kleinen und stämmigen Eindruck, und sie erschien trotz ihrer Augen in der Farbe von Saphiren eher unscheinbar.
»Ich bin angewiesen worden, dieselben Punkte wie Shevan anzusprechen«, sagte sie und ignorierte Rinas überraschten Blick. Offensichtlich hatte es Druck von Adelorna gegeben, dem »Generalhauptmann« der Grünen, und genauso offensichtlich war Rubinde anderer Meinung, wenn sie bereit war, es öffentlich zu machen. »Tarmon Gai’don kommt, die Schwarze Burg ist eine fast genauso große Gefahr, und der Wiedergeborene Drache ist verschwunden, wenn er nicht sogar tot ist. Wir können es uns nicht länger leisten, uneins zu sein. Wenn Andaya die Rebellen dazu überreden kann, in die Burg zurückzukehren, dann müssen wir es auf den Versuch ankommen lassen.«
»Ich verstehe«, sagte Elaida ausdruckslos. Aber seltsamerweise gewann sie an Farbe, und ein Lächeln schien über ihre Lippen zu huschen. »Dann holt sie mit Reden zurück, wenn Ihr es schafft, auf jeden Fall. Aber meine Erlasse bleiben bestehen. Die Blaue Ajah existiert nicht länger, und jede Schwester, die dem Kind Egwene al’Vere folgt, muss unter meiner Anleitung Buße ableisten, bevor sie irgendeiner Ajah beitreten kann. Ich habe vor, die Weiße Burg zu einer Waffe zu schmieden, die bei Tarmon Gai’don eingesetzt wird.«
Ferane und Suana wollten protestieren, wie ihren Mienen deutlich abzulesen war, aber Elaida brachte sie mit einer erhobenen Hand zum Schweigen. »Ich habe gesprochen, Töchter. Geht jetzt. Und kümmert euch um eure … Gespräche.«
Es gab nichts, das die Sitzenden hätten tun können, von offener Auflehnung abgesehen. Sie hatten die Rechte des Saals auf ihrer Seite, aber der Saal wagte nur selten, in die Autorität des Amyrlin-Sitzes einzugreifen. Nicht, wenn der Saal uneins gegen die Amyrlin stand, und dieser Saal war sich alles andere als einig, gleichgültig, um welches Thema es ging. Alviarin selbst hatte dabei geholfen, dass es so
Weitere Kostenlose Bücher