Bis hierher und weiter - Mit allen Nockherberg-Reden von Bruno Jonas
Bis hierher und weiter
ein Kabarettstück
Am Flughafen in München, Gate 28. Der Flug LH 832 von München nach Berlin ist noch nicht zum Einsteigen bereit. Die elektronische Anzeigetafel zeigt ein Delay von 40 Minuten für den Flug.
Wir hören eine Durchsage. »Bitte lassen Sie Ihr Ge päck nicht unbeaufsichtigt …«
Ein Businessman kommt auf die Bühne. Er trägt das Kostüm des verantwortungsvollen Erwachsenen. Blauer Anzug von Boss, Krawatte von Boss. Schwarze Schuhe. Vermutlich auch von Boss. Der Charakter von Boss. Her kunft: Niederbayern.
Eigentlich ist noch ziemlich viel Niederbayerisches an ihm, wenn auch nicht immer hörbar.
Korrekt vom Scheitel bis zur Sohle. Eventuell Blue tooth gesteuert, Infrarotausstrahlung, der ganze Typ ist immer auf Empfang. Eine Onlinepersönlichkeit.
Er zieht einen Trolley hinter sich her. Unterm Arm mehrere Tageszeitungen. Er nippt an einem »Coffee to go«.
Er ist immer ready to go und ready to take off. Und er wartet sehnsüchtig auf sein Boarding, denn er ist schon längst ready for boarding. Er hat alle Hände voll zu tun mit Laptop und Handy und seiner Person. He is very busy, very important, and always very very … Wir mer ken sofort, der kommt ohne sich nicht aus. Der wird gebraucht. He is ready to use. He is a user.
So, wie der aussieht, kann er nur in der Beraterbran che tätig sein. Ein Consulter. Er wirkt sehr busy. Totally datet. Sein Name: Hubert Unwirsch.
Frau Schellnhuber
Unwirsch betritt die Bühne. Voll bepackt mit Koffer und Zeitungen unter dem Arm. Die Frankfurter Allgemeine , die Süddeutsche Zeitung , das Handelsblatt . Einen Becher »Coffee to go« in der Hand. Keine Hand frei. Er telefoniert. Handy zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt.
Ja!
Wie war Ihr Name?
Schellnhuber? - Aha. - Das tut mir leid. Wenden Sie sich doch bitte an mein Büro, Frau Schellnhuber. Frau Kölbl, genau, meine Assistentin, richtig. Ich bin grad am Flughafen, ich kann momentan gar nichts für Sie tun, Frau Schellnhuber.
Frau Schellnhuber lässt sich nicht abwimmeln. Un wirsch heuchelt Verständnis.
Ich versteh ja Ihre Aufregung. Und es ist ja auch bedauerlich, dass Ihr Mann entlassen werden musste. - Das ist immer eine, äh, Belastung für die Familie.
Ja, aber auch für geschäftsleitung und, äh, die gemeinheit, äh, die Allgemeinheit.
Ja, äh, aber nicht wir haben Ihren Mann entlassen, das waren die neuen Eigentümer des Unternehmens.
Richtig. Die Texas Pacific group.
Wir haben nur den Rat gegeben!
Costcutting, ja genau, das ist der Fachausdruck...
Ja, wir mussten, wir konnten nicht anders, aufgrund der Daten des Unternehmens, andernfalls hätten wir die Existenz des Unternehmens insgesamt gefährdet. Ich bitte Sie wirklich, sich auch mal in unsere Lage zu versetzen.
Ja, wir sind eine Unternehmensberatung.
Die MCC. Richtig. Die Munich Consulting Company.
Ja, wir hatten den Auftrag. Das ist alles richtig, was Sie da sagen, Frau Schellnhuber.
Also, ich bin ganz sicher, dass Ihr Mann in kürzester Zeit wieder etwas findet. Der ist hoch qualifiziert, Sie sagen es, abgeschlossenes Hochschulstudium, freilich, da kriegt er ganz schnell wieder was, also da wäre ich an Ihrer Stelle zuversichtlich. Und flexibel ist er ja.
Frau Schellnhuber, Sie sehen immer nur die negativen Seiten.
Nur, dafür haben wir ja den Sozialstaat. Der springt in solchen Fällen in die Bresche. Dafür ist er da.
Nehmen Sie es doch als Chance zu einer Neuorientierung.
Es muss nicht Hartz IV sein. Aber auch dann …
Das Leben bietet immer wieder Chancen.
Wie alt sind denn die Kinder?
Vier und neun. Na ja, die haben ja dann noch einiges vor sich. Aber nehmen Sie es positiv. Der Papa wird jetzt erst einmal mehr Zeit für die Familie haben. Das ist doch auch schön.
Nein, da verstehen Sie mich falsch. Ich meine das nicht zynisch.
Was sagen Sie?
Aha. Sie haben Schulden auf dem Haus. Das ist normal, wenn man ein Haus kauft, die wenigsten haben das Geld, um ein Haus bar zu bezahlen.
Ja, das ist bitter. Aber das sind so die Risiken. gell.
Verstehe.
Also, wenn Sie das Haus verkaufen wollen, dabei könnten wir behilflich sein.
Also, wie gesagt, es muss ja nicht gleich so weit kommen, gell, aber wenn, dann wären wir zur Stelle. Aber ich kann jetzt wirklich nicht mehr für Sie tun, ich bin am Flughafen und hab gleich mein Boarding. Also, alles gute Ihnen und Ihrer Familie, gell. Auf Wiederhören.
Beendet das Gespräch und wendet sich direkt an die Zu schauer.
Es ist
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