Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
ständig vorbei.
Edesina rauschte um eine Ecke, und zwei Gestalten mit dunklen Umhängen folgten ihr. Hatten die Sul’dam nur eine von ihnen im Lager zurückgelassen, um die beiden Aes Sedai im Auge zu behalten? Aber vielleicht waren Joline und Teslyn ja ganz in der Nähe, und er hatte sie nur übersehen. Er verdrehte den Hals und suchte in der Menschenmenge nach einem weiteren schmucklosen Umhang, aber jeder, den er sah, wies zumindest kleine Stickereien auf.
Da traf es ihn wie ein Stein zwischen den Augen. Jeder Umhang, den er sehen konnte, wies zumindest kleine Stickereien auf. Wo steckte die verdammte Tuon und die verdammte Selucia? Rollten die Würfel nicht schneller?
Schwer atmend stellte er sich auf die Zehenspitzen, aber die Straße war ein Meer aus verzierten Umhängen, verzierten Mänteln und Kleidern. Das musste nicht bedeuten, dass sie zu fliehen versuchten. Tuon hatte ihr Wort gegeben; sie hatte eine perfekte Gelegenheit zum Verrat ungenutzt verstreichen lassen. Aber beide Frauen mussten bloß drei Worte sagen, und jeder, der sie hörte, würde vermutlich den seanchanischen Akzent erkennen. Das würde möglicherweise ausreichen, um die Jagdhunde auf seine Spur zu setzen. Voraus befanden sich zwei Geschäfte, die offenbar Stoffe anboten, jeweils auf einer Straßenseite. Und vor keinem Geschäft standen zwei Frauen mit schwarzen Umhängen. Sie hätten mühelos um eine Ecke gehen können, aber er musste seinem Glück vertrauen. Sein Glück war vor allem dann verlässlich, wenn es um reine Glücksspiele ging. Die verfluchten Frauen hielten es vermutlich für ein verfluchtes Spiel. Sollte man ihn zu Asche verbrennen, er vertraute auf sein Glück.
Er schloss die Augen, drehte sich mitten auf der Straße im Kreis und machte dann einen Schritt vorwärts. Völlig willkürlich. Er prallte gegen jemanden, hart genug, dass sie beide aufstöhnten. Ein stämmiger Bursche mit einem kleinen Mund und grobem Stickwerk auf den Schultern seines einfachen Mantels starrte ihn finster an, als er die Augen wieder öffnete, und strich über den Griff seines Krummdolchs. Mat war das egal. Er schaute direkt auf einen der beiden Läden. Er setzte den Hut fester auf und rannte los. Die Würfel rollten schneller.
Mit Tuchballen vollgestopfte Regale säumten die Wände des Ladens vom Boden bis zur Decke; noch mehr Ware stapelte sich auf langen Tischen. Die Ladenbesitzerin war eine dürre Frau mit einer großen Warze auf dem Kinn, ihre Helferin war schlank und hübsch und schaute wütend drein. Mat kam gerade rechtzeitig in den Verkaufsraum geschossen, um zu hören, wie die Besitzerin sagte: »Zum letzten Mal, wenn ihr mir nicht sagt, was ihr hier wollt, lasse ich Nelsa die Stadtwächter holen.« Tuon und Selucia gingen mit noch immer hochgeschlagenen Kapuzen langsam eine Wand voller Stoffballen ab und blieben stehen, um ein Gewebe anzufassen, aber keine von ihnen schenkte der Besitzerin irgendwelche Beachtung.
»Sie gehören zu mir«, stieß Mat atemlos hervor. Er zupfte den Geldbeutel aus der Tasche und warf ihn auf den nächsten freien Tisch. Das Klirren, das er bei seiner Landung machte, zauberte ein breites Lächeln auf das schmale Gesicht der Besitzerin. »Gebt ihnen, was immer sie wollen«, sagte er. Dann wandte er sich Tuon zu und fügte fest hinzu: »Wenn Ihr etwas kaufen wollt, dann hier. Ich hatte heute Morgen mehr Bewegung, als ich wollte.«
Falls möglich, hätte er die Worte in dem Moment, in dem sie seinen Mund verließen, wieder zurückgenommen. Sprach man so zu einer Frau, dann sprang sie einem ins Gesicht wie die Flamme von einem von Aludras Feuerstöcken, jedes Mal. Aber Tuons große Augen schauten aus dem Schutz der Kapuze zu ihm hoch. Und ihre vollen Lippen wölbten sich zu einem leichten Lächeln. Es war ein persönliches Lächeln, allein für sie selbst bestimmt, nicht für ihn. Das Licht allein wusste, was es bedeuten sollte. Er hasste es, wenn Frauen das taten. Wenigstens hatten die Würfel nicht angehalten. Das musste doch ein gutes Zeichen sein, oder?
Tuon brauchte keine Worte, um ihre Auswahl zu treffen, stumm deutete sie auf einen Ballen nach dem anderen und zeigte mit ihren kleinen dunklen Händen, wie viel die Besitzerin mit ihrer Schere abschneiden sollte. Die Frau machte die Arbeit selbst, statt sie an ihre Helferin zu delegieren, und unter diesen Umständen war das auch sicher angebracht. Rote Seide in vielen verschiedenen Farbtönen wurde von der langen, scharfen Schere abgeschnitten, und
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