Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
»Vielleicht habt Ihr mich in den Ruin getrieben!« Er verscheuchte ein paar Kinder mit weit aufgerissenen Augen und fauchte eine dicke Frau an, deren Röcke mit silbernen Flittern funkelten. Miyora ließ Leoparden Kunststücke vorführen, die sich Latelle nicht getraut hätte, aber sie warf lediglich den Kopf zurück, bevor sie weiterrauschte. Niemand nahm Luca so ernst wie er sich selbst.
Er schrak zusammen, als Tuon und Selucia herbeieilten, und schien kurz davorzustehen, auch ihnen den Befehl zum Weitergehen zu geben, bevor er sich besann. Tatsächlich fing er an, nachdenklich die Stirn zu runzeln. Und besorgt. Anscheinend hatte ihm seine Frau nicht erzählt, dass Mat und die Frauen das Zirkusgelände verließen, und es war offensichtlich, dass sie in der Stadt gewesen waren. Die blauäugige Frau trug ein gewaltiges Stoffbündel auf dem Rücken, aber sie stand gerade aufgerichtet. Man hätte denken sollen, dass die Zofe einer Lady daran gewöhnt war, Dinge zu tragen, aber ihr Gesicht bot ein Bild empörter Gereiztheit. Latelle musterte sie von oben bis unten, dann schaute sie Mat höhnisch an, als wäre er der Grund, dass die Frau ihren bemerkenswerten Busen rausstreckte. Lucas Frau war sehr gut mit höhnischen Blicken, aber Tuons strenge Miene ließ Latelle beinahe gütig erscheinen. Hier schaute ein Richter aus der Kapuze, ein Richter, der bereit war, das Urteil zu sprechen.
Im Augenblick war es Mat egal, was die Frauen dachten. Diese verdammten Würfel. Er warf den Umhang zurück, ließ sich auf ein Knie hinab und führte die Finger an Egeanins Hals. Ihr Puls schlug schwach, dünn und flatternd.
»Was ist passiert?«, fragte er. »Habt ihr nach einer der Schwestern geschickt?« Egeanin zu bewegen würde sie vielleicht umbringen, aber vielleicht war noch genug Zeit zum Heilen da, falls sich die Aes Sedai beeilten. Aber er würde die Namen nicht laut aussprechen, nicht, wo so viele Leute hier vorbeigingen und neugierig stehen blieben, bis Luca oder Latelle sie fortschickten. Bei ihr bewegte sich jeder viel schneller als bei ihm. Latelle war eigentlich die Einzige, die wirklich für Luca sprang.
»Renna!« Domon spuckte den Namen aus. Trotz des kurzen Haarschopfs und dem Illianerbart, der seine Oberlippe frei ließ, sah er jetzt nicht im Mindesten lächerlich aus. Er sah ängstlich und mörderisch aus, eine gefährliche Kombination. »Ich gesehen haben, wie sie Egeanin in den Rücken stach und floh. Hätte ich sie erreichen können, hätte ich ihr das Genick gebrochen, aber meine Hand sein alles, das Egeanins Blut festhält. Wo bleiben die verfluchten Aes Sedai?« So viel zu Mats Bemühungen um eine vorsichtige Ausdrucksweise.
»Ich bin genau hier, Bayle Domon«, verkündete Teslyn kalt und kam mit Thera herbeigeeilt, die einen entsetzten Blick auf Tuon und Selucia warf und sich mit einem spitzen Schrei an Juilins Arm klammerte, die Augen zu Boden geschlagen. So wie sie anfing zu zittern, würde sie in einer Minute vermutlich selbst dort liegen.
Als die Aes Sedai sah, was dort vor ihr lag oder vielleicht auch wo es lag, machte sie ein Gesicht, als hätte sie eine Handvoll Dornen im Mund. Aber sie kroch schnell unter den Wagen an Domons Seite und umklammerte Egeanins Kopf mit knochigen Händen. »Joline ist darin besser als ich«, murmelte sie, »aber vielleicht schaffe ich …«
Der silberne Fuchskopf auf Mats Brust wurde kalt, und Egeanin bäumte sich so wild auf, dass ihr die Perücke vom Kopf fiel und sie sich fast aus Domons Griff befreite, während sie die Augen weit aufriss. Der Krampf dauerte nur lange genug, dass sie sich mit einem erstickten Keuchen zur Hälfte aufsetzte, dann sackte sie wieder gegen Domons Brust, und das Medaillon wurde erneut zu einem Stück bearbeiteten Silber. Daran war Mat fast schon gewöhnt. Er hasste es, dass er daran gewöhnt war.
Auch Teslyn sackte zusammen; beinahe wäre sie umgekippt, hätte Domon nicht den Griff gewechselt und die Aes Sedai mit einer Hand gestützt. »Danke«, sagte Teslyn nach einem Moment, das Wort klang, als hätte man es ihr abgerungen. »Aber ich brauche keine Hilfe.« Doch sie stützte sich am Wagen ab, um sich aufzurichten, und ihr kalter Aes Sedai-Blick forderte jeden heraus, eine entsprechende Bemerkung zu machen. »Die Klinge ist von einer Rippe abgeglitten und hat darum ihr Herz verfehlt. Sie braucht jetzt nur noch Ruhe und Nahrung.«
Mat wurde klar, dass sie keine Zeit verschwendet hatte, sich einen Umhang zu schnappen. Auf der einen
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