Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
al’Thor sie gebeten? Mit etwas Glück konnte sie von diesen beiden eine Menge erfahren. Ein erschöpfter Mann, ein müder Ogier, die sich verloren und allein fühlten, sie waren förmlich reif dafür, Fragen zu beantworten.
Karldin zuckte zusammen und umklammerte den Schwertgriff fester, und sie unterdrückte einen Fluch, als eine Palastdienerin mit fast bis zu den Knien geschürzten Röcken in den Raum gestürzt kam. »Lord Dobraine ist ermordet worden!«, kreischte die Frau. »Man wird uns alle in unseren Betten umbringen! Mit meinen eigenen Augen habe ich die Toten wandeln gesehen, den alten Maringil, und meine Mutter sagt, die Geister werden einen umbringen, wo ein Mord geschehen ist! Sie …« Ihr blieb der Mund offen stehen, als sie sich der Anwesenheit der Aes Sedai bewusst wurde, und sie kam rutschend zum Halt, die Röcke noch immer gerafft. Auch die Küchenbediensteten schienen wie erstarrt zu sein und beobachteten die Aes Sedai aus den Augenwinkeln.
»Nicht Dobraine«, stöhnte Loial und legte die Ohren flach an. »Nicht er auch.« Er sah wütend und auch traurig aus, seine Miene war wie versteinert. Samitsu konnte sich nicht erinnern, einen Ogier jemals wütend gesehen zu haben.
»Wie heißt du?«, wollte Sashalle von der Dienerin wissen, bevor Samitsu den Mund aufmachen konnte. »Woher weißt du, dass er ermordet wurde? Woher weißt du, dass er überhaupt tot ist?«
Die Frau schluckte, von Sashalles kühlem Blick gefangen. »Cera, Aes Sedai?«, sagte sie zögernd, drückte die Knie für einen Knicks durch und wurde sich erst da bewusst, dass sie noch immer die Röcke hochhielt. Sie hastig zu richten schien sie aber nur noch mehr zu verwirren. »Cera Doinal? Sie sagen … jeder sagt, dass Lord Dobraine … ich meine, er war …« Sie schluckte mühsam. »Alle sagen, dass seine Gemächer voller Blut sind. Er wurde in einer großen Blutlache gefunden. Sie sagen, man hat ihn geköpft.«
» Sie sagen viel, wenn der Tag lang ist«, entgegnete Sashalle grimmig, »und für gewöhnlich irren sie sich. Samitsu, Ihr kommt mit mir. Falls Lord Dobraine verletzt wurde, könnt Ihr vielleicht etwas für ihn tun. Loial, Karldin, Ihr kommt auch mit. Ich will Euch nicht aus den Augen lassen, bevor ich Gelegenheit hatte, Euch ein paar Fragen zu stellen.«
»Eure Fragen können mir gestohlen bleiben!«, knurrte der junge Asha’man und schulterte seine Besitztümer. »Ich gehe!«
»Nein, Karldin«, sagte Loial leise und legte seinem Gefährten eine große Hand auf die Schulter. »Wir können nicht gehen, bevor wir über Dobraine Bescheid wissen. Er ist ein Freund, Rands Freund und auch mein Freund. Wir können nicht. Außerdem, wo sollten wir hingehen?« Karldin blickte zur Seite. Er wusste keine Antwort.
Samitsu kniff die Augen zusammen und holt tief Luft, aber es half alles nichts. Sie folgte Sashalle aus der Küche und musste sich wieder beeilen, um mit den weit ausholenden, anmutigen Schritten der anderen Frau mithalten zu können. Tatsächlich lief sie fast; Sashalle legte ein noch schnelleres Tempo vor.
Sobald sie aus der Tür waren, ertönte hinter ihnen Stimmengewirr. Vermutlich befragte das Küchenpersonal die Dienerin nach Einzelheiten, Details, die sie bestimmt erfinden würde, wo ihr Wissen versagte. Aus dieser Küche würden zehn verschiedene Versionen der Ereignisse ihren Weg nach draußen finden, wenn nicht sogar so viele, wie es in der Küche Bedienstete gab. Das Schlimmste aber war, dass zehn verschiedene Versionen von den Ereignissen in der Küche ihren Weg hinausfinden würden, und eine jede würde zu den Gerüchten hinzukommen, die Corgaide zweifellos bereits verbreitete. Samitsu fiel kaum ein Tag ein, der so übel für sie verlaufen war, und das auch noch so unvermutet; es war, als würde man auf einem Stück Eis ausrutschen, nur um sofort auf ein anderes Stück zu treten und dann auf ein weiteres. Cadsuane würde aus ihrer Haut Handschuhe machen!
Wenigstens folgten Loial und Karldin ihnen ebenfalls. Was auch immer sie von ihnen erfahren konnte, mochte zu ihrem Vorteil gereichen. Sie eilte an Sashalles Seite und musterte die beiden mit schnellen Blicken über die Schulter. Der Ogier machte kleine Schritte, um die Aes Sedai nicht zu überholen, und runzelte besorgt die Stirn. Vermutlich wegen Dobraine, aber vielleicht auch, wie er den geheimnisvollen Auftrag zu Ende führen sollte, »so gut wie er konnte«. Das war ein Geheimnis, das sie zu lösen gedachte. Der junge Asha’man hatte keine
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