Pubertät – Loslassen und Haltgeben
VORWORT ZUR ÜBERARBEITETEN NEUAUSGABE
Als ich Mitte der neunziger Jahre begann, dieses Buch zu konzipieren und zu schreiben, ahnte niemand, dass es 2010 nahezu eine Viertelmillion Mal verkauft und zu einem der meistgelesenen Ratgeber über die Pubertät werden würde.
Ich habe von Beginn an viele Briefe und mündliche Kommentare nicht allein zur Publikation erhalten, viele Eltern kamen im Anschluss an Seminare und Vorträge auf mich zu, um mir für die Klarheit zu danken, mit der ich auf das vermeintlich schwierige Thema Pubertät eingegangen bin – aber auch für das Verständnis, mit dem ich die Pubertierenden beobachtet und beschrieben habe. «Ich kann mich jetzt besser in meinen Sohn hineinversetzen», erzählte mir einmal ein Vater. «Und zugleich bin ich in meiner Erziehungshaltung gestärkt worden. Sie haben mir Mut gemacht, in Kontakt zu meinem Sohn zu bleiben, aber auch zu erziehen, ohne perfekt sein zu müssen.» Und eine Mutter schrieb mir: «Ich möchte mich für Ihr Buch bedanken. Wenn es kritisch wurde mit meinen beiden pubertierenden Töchtern, dann habe ich es abends in die Hand genommen, darin geblättert, gelesen … Es war wie ein Trostbüchlein … Ich habe dann gemerkt, wie klasse ich bin und wie toll meine Töchter sind … Danke!»
Obgleich das Buch für Erwachsene, für Eltern und Großeltern, für Pädagogen und Erzieher geschrieben war, haben es auch Pubertierende gelesen. Eine der schönsten Zuschriften kam von Ben, 15 Jahre alt: «Ihr Buch ist spitze! Ich habe es meinen Eltern gekauft, damit die es nicht so schwer mit mir haben! … Die haben’s gelesen. Und vieles lief tatsächlich besser. Obgleich es manchmal ein echt uncooles Buch ist, weil sie so viele unserer Tricks verraten haben … Nur noch ein Vorschlag: Sie sindwohl ein Offliner! Was Sie da über Medien schreiben, ist absolute Steinzeit. Gehen Sie mal online und schreiben auch darüber, dann wird Ihr Buch noch besser! … Bis bald. Vielleicht online … Trotzdem: Ein cooles Buch!»
Ich gebe es zu: JA, ich bin ein «digital immigrant», wie jene Leute bezeichnet werden, die mit Lesen, Radio, Kino und Fernsehen groß geworden sind und die erst im reiferen Alter die digitale Welt zögernd und vorsichtig erkundet haben, die erst spät ein Mobiltelefon kennengelernt und mühsam erlernt haben, eine SMS zu verschicken, die nachdenklich durch Internetportale in die «schöne neue Welt» gehen nun twittern und skypen können, aber trotzdem das persönliche Gespräch vorziehen. Immigrant bleibt eben Immigrant – ob nun digital, virtuell oder real.
Und trotzdem hat Ben natürlich recht: Manche Themen haben sich in den letzten fünfzehn Jahren verändert, die eine Überarbeitung meines Buches notwendig machten: angefangen bei den medienbezogenen Erfahrungen Heranwachsender (z. B. Handy, Internet, Facebook oder Wikipedia), über Beschleunigungstendenzen in der Entwicklung (z. B. verfrühte Reifungsprozesse, Leistungsdruck), die Erkenntnisse der Hirnforschung (z. B. das Zusammenspiel von Hormonen und Neuronen) bis hin zu veränderten Alltagserfahrungen, die Probleme in der Entwicklung mit sich bringen können (z. B. der Körper als Kampffeld, Ritzen, Rauschtrinken, legale Drogen, Aggression und Gewalt).
Doch eines wird mir im Kontakt mit Pubertierenden wie deren Eltern immer bewusster: Da wachsen mehrheitlich Jugendliche heran, die allen äußeren Widrigkeiten zum Trotz selbstbewusst und eigenständig ihr Leben angehen und meistern. Und da sind Eltern, die ihren in die Welt hinausziehenden Kindern Geleit geben, die sich bemühen, einen guten Erziehungsjob zu machen – und das unter manchmal nicht ganz leichten Umständen.
Ich wünsche den Lesern und Leserinnen viel Spaß mit diesemBuch, Erkenntnisse, vermischt mit Humor, Lachen und Schmunzeln über sich und gemeinsam mit den Pubertierenden, auf dass es Eltern gelingt, gleichzeitig loszulassen und Halt zu geben, damit Kinder lernen, auf eigenen Füßen zu stehen.
KRISEN ALS CHANCE – EINFÜHRENDE GEDANKEN ZUR PUBERTÄT
«Ich verstehe meinen Sohn nicht mehr», klagt die Mutter des 1 4-jährigen Sven, «er zieht sich in sein Zimmer zurück, ist völlig in sich gekehrt, kein freundliches Wort kommt mehr von ihm, nichts!» Sonjas Vater unterbricht sie beinahe: «Seit die 12 ist, setzt es ganz offensichtlich bei ihr aus. Ich wage sie kaum noch anzusprechen, weil sich sofort ein Riesenkonflikt entwickelt. Gut, ich versteh das mit der Pubertät,
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