Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
die anderen, dass sie immer dieselben Ratschläge gibt.«
»Und es sind gute Ratschläge.« Nicola hielt eine Hand hoch, um an den Fingern abzuzählen. »Gehorcht den Aes Sedai. Gehorcht den Aufgenommenen! Arbeitet hart. Und dann arbeitet härter.«
Egwene ging zu ihrem Zimmer weiter und lächelte. Als offizielle Amyrlin hatte sie es nicht geschafft, Nicola ein vernünftiges Benehmen beizubringen, aber in der Maskerade einer Novizin war es ihr anscheinend nun doch gelungen. Bemerkenswert.
Es gab noch etwas, das sie für sie tun konnte: sie trösten. So unglaublich das zuerst erschienen war, manchmal veränderte sich das Innere der Burg. Leute verliefen sich auf dem Weg zu Räumen, in denen sie Dutzende Male gewesen waren. Frauen wurden gesehen, die aus Wänden kamen oder in ihnen verschwanden, oft in altmodischen Kleidern, manchmal in bizarren Aufmachungen, Gewänder, die wie grellbunte Stoffbahnen erschienen, die man um den Körper gewunden hatte, bestickte knöchellange Wappenröcke über weiten Hosen und noch seltsamere Dinge. Beim Licht, wann konnte eine Frau ein Kleid getragen haben wollen, das ihren Busen vollständig entblößte? Egwene konnte solche Dinge in Tel’aran’rhiod mit Siuan besprechen, darum wusste sie, dass dies Zeichen des sich nähernden Tarmon Gai’don waren. Ein unerfreulicher Gedanke, aber daran konnte man nichts ändern. Was war, das war, und es war ja nicht so, als wäre nicht Rand selbst ein Bote der Letzten Schlacht. Auch einige der Schwestern in der Burg mussten gewusst haben, was es bedeutete, aber sie waren so mit sich selbst beschäftigt, dass sie sich nicht die Mühe machten, Novizinnen zu trösten, die vor Angst weinten. Egwene tat es.
»Die Welt ist voller seltsamer Wunder«, sagte sie zu Coride, einem hellblonden Mädchen, das bäuchlings auf dem Bett lag und heulte. Nur ein Jahr jünger als sie selbst, war Coride noch definitiv ein Mädchen, obwohl sie sich schon anderthalb Jahre in der Burg befand. »Warum sollte es so überraschend sein, wenn einige dieser Wunder in der Weißen Burg erscheinen? Was gäbe es denn für einen besseren Ort?« Den Mädchen gegenüber erwähnte sie die Letzte Schlacht nicht. Das würde wohl kaum ein Trost sein.
»Aber sie ist in der Wand verschwunden!«, schluchzte Coride und hob den Kopf. Ihr Gesicht war rot und fleckig, ihre Wangen glitzerten feucht. »Eine Wand! Und dann konnte keine von ihnen das Klassenzimmer finden, und Pedra auch nicht, und sie wurde wütend auf uns. Pedra wird nie wütend. Auch sie hatte Angst!«
»Ich wette, Pedra hat nicht angefangen zu weinen.« Egwene setzte sich auf den Bettrand und war erfreut, dass sie nicht zusammenzuckte. Novizinnenmatratzen waren nicht bekannt für ihre Weichheit. »Die Toten können den Lebenden nichts antun, Coride. Sie können uns nicht berühren. Sie scheinen uns nicht einmal wahrzunehmen. Davon abgesehen, haben sie hier in der Burg gelebt oder waren Diener. Das war genauso ihr Zuhause, wie es Eures ist. Und wenn die Zimmer oder Korridore nicht dort sind, wo sie sein sollen, dann müsst Ihr nur daran denken, dass die Burg ein Ort der Wunder ist. Denkt daran, und es wird Euch keine Angst machen.«
Egwene kam das schwach vor, aber Coride wischte sich die Augen und schwor, sie würde nie wieder Angst haben. Unglücklicherweise gab es zweihundertundzwei wie sie, die sich nicht alle so einfach beruhigen ließen. Es machte Egwene noch wütender auf die Schwestern in der Burg, als sie ohnehin schon war.
Ihre Tage bestanden nicht nur aus Unterricht, dem Trösten von Novizinnen und von der Herrin bestraft zu werden, auch wenn das Letztere einen unerfreulich großen Bestandteil eines jeden Tages in Anspruch nahm. Silviana hatte recht behalten, ihr blieb nicht viel Freizeit. Novizinnen mussten immer arbeiten. Oft waren es überflüssige Tätigkeiten, da die Burg über tausend Diener und Dienerinnen hatte, ohne die Tagelöhner mitzuzählen, aber körperliche Arbeit half, den Charakter zu formen; diese Ansicht hatte die Burg schon immer vertreten. Außerdem half es angeblich, die Novizinnen so müde zu halten, dass sie nicht an Männer dachten. Sie bekam allerdings wesentlich mehr Arbeit als andere Novizinnen zugeteilt. Manche von Schwestern, die sie als Ausreißerin betrachteten, andere von Silviana in der Hoffnung, dass die Müdigkeit ihre »rebellische Seite« dämpfte.
Täglich schrubbte sie nach irgendwelchen Mahlzeiten schmutzige Töpfe im Arbeitsraum neben der Hauptküche. Gelegentlich
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