Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
sich für Beleidigungen anderer Ajahs zu rächen. Seltsamerweise schienen die meisten Schwestern die anderen Ajahs in der Burg mehr als ihre Feinde anzusehen als die Schwestern im Lager vor der Stadt, und die Sitzenden waren da nicht viel besser. Es ließ in Egwene das Verlangen aufsteigen, sie zu ohrfeigen. Sicher, es war ein gutes Zeichen für die späteren Beziehungen, wenn die anderen Schwestern wieder in die Burg eingezogen waren, trotzdem …
Sie schnappte auch andere Dinge auf. Das unglaubliche Desaster bei einer Expedition, die man gegen die Schwarze Burg geschickt hatte. Einige der Schwestern schienen es nicht zu glauben, und doch versuchten sie sich anscheinend selbst davon zu überzeugen, dass es nicht geschehen sein konnte. Andere Schwestern, die nach einer großen Schlacht in Gefangenschaft geraten und irgendwie gezwungen worden waren, Rand die Treue zu schwören. Davon hatte sie bereits gerüchteweise zuvor gehört, und es gefiel ihr genauso wenig, dass Schwestern von Asha’man den Bund aufgezwungen bekommen hatten. Ta’veren oder der Wiedergeborene Drache zu sein war keine Entschuldigung. Noch nie zuvor hatte eine Aes Sedai einem Mann die Treue geschworen. Die Sitzenden und Schwestern stritten sich darum, wer daran schuld war, und Rand und die Asha’man standen ganz oben auf der Liste. Aber ein Name tauchte immer wieder auf. Elaida do Avriny a’Roihan. Sie sprachen auch über Rand, wie man ihn vor Tarmon Gai’don aufspüren sollte. Sie wussten, dass es herannahte, trotz ihres Versagens, die Novizinnen und Aufgenommenen zu beruhigen, und sie wollten ihn, koste es, was es wolle, in ihre Gewalt bekommen.
Manchmal riskierte sie eine Bemerkung, erwähnte, dass man Shemerin gegen alle Bräuche die Stola abgenommen hatte oder dass Elaidas Edikt in Bezug auf Rand die beste Methode auf der ganzen Welt gewesen war, dass er sich vehement wehrte. Sie zeigte Mitgefühl für die von den Asha’man gefangen genommenen Schwestern oder die von den Brunnen von Dumai – und ließ Elaidas Namen fallen – oder bedauerte die Schlamperei, die dazu führte, dass auf den einst makellosen Straßen von Tar Valon der Müll verfaulte. Da brauchte man Elaidas Namen nicht zu erwähnen; jeder wusste, wer für Tar Valon verantwortlich war. Manchmal brachten ihr diese Bemerkungen die nächsten Besuche bei Silviana ein und noch mehr Arbeiten, aber überraschend oft auch nicht. Sie merkte sich die Schwestern, die ihr bloß befahlen, den Mund zu halten. Oder, was noch besser war, gar nichts sagten. Manche nickten sogar beipflichtend, bevor sie sich wieder unter Kontrolle brachten.
Manche dieser Arbeiten führten zu interessanten Begegnungen.
Am Morgen des zweiten Tages ihres Aufenthalts in der Burg fischte sie mit einem langstieligen Rechen Schmutz aus den Teichen des Wassergartens. In der Nacht hatte es stark geregnet, und der Sturmwind hatte Blätter und Gras zu den hellgrünen Seerosen und den sprießenden Schwertlilien in den Teichen geweht, und sogar einen verendeten Spatz, den sie in einem der Blumenbeete begrub. Zwei Rote standen auf einer der bogenförmigen Teichbrücken, lehnten sich auf die Steinbrüstung und beobachteten sie und die Fische, die in roten, goldenen und weißen Schwärmen unter ihnen hindurchflitzten. Ein halbes Dutzend Krähen schossen aus einem Gebüsch und flogen stumm nach Norden. Krähen! Das Burggelände sollte angeblich gegen Krähen und Raben abgeschirmt sein. Die Roten schienen sie nicht gesehen zu haben.
Egwene hockte neben einem Teich auf den Fersen und wusch sich den Schmutz von den Händen, nachdem sie den armen Vogel begraben hatte, als Alviarin auftauchte, die mit weißen Fransen besetzte Stola fest um den Körper gewickelt, als wäre der Morgen noch immer windig, statt hell und freundlich. Das war jetzt das dritte Mal, dass sie Alviarin sah, und jedes Mal war sie allein und nicht in Gesellschaft anderer Weißer gewesen. Dabei hatte sie in den Gängen Gruppen aus Weißen gesehen. War das ein Hinweis? Wenn dem so war, verstand sie ihn nicht, es sei denn, Alviarin würde aus irgendeinem Grund von ihrer eigenen Ajah geschnitten. Sicherlich war die Fäulnis noch nicht so tief eingedrungen.
Alviarin warf den Roten einen Blick zu und ging dann auf dem Kiesweg zwischen den Teichen auf Egwene zu. »Ihr seid tief gefallen«, sagte sie, als sie nahe heran war. »Und Ihr müsst es deutlich spüren.«
Egwene richtete sich auf und trocknete die Hände an den Röcken ab, dann hob sie den Rechen
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