Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
maximaler Geschwindigkeit ausgeführten Stoß nach vorn. ›Die Natter züngelt‹, ein mutiger Stoß, dessen Effektivität noch durch die Tatsache erhöht wurde, dass Sleete mit dem schmalen kleinen Mann zusammen kämpfte, der Gawyn auf der linken Seite umging. Marlesh war der einzige andere Behüter in Dorlan – und seine Ankunft war viel undramatischer als Sleetes gewesen. Marlesh hatte die ursprüngliche Gruppe der elf Aes Sedai begleitet, die bei Dumai entkommen waren, und er war die ganze Zeit bei ihnen geblieben. Seine Aes Sedai, eine hübsche junge Grüne namens Vasha, eine Domani, sah träge von der Scheunenwand zu.
Gawyn begegnete ›Die Natter züngelt‹ mit ›Katze tanzt auf der Mauer ‹, schlug die Klinge zur Seite und hieb aus der gleichen Bewegung nach den Beinen. Allerdings sollte damit kein Treffer erzielt werden; es war ein defensives Manöver, das ihn in die Lage versetzen sollte, beide Gegner im Auge zu behalten. Marlesh versuchte es mit ›Den Leoparden liebkosen‹, aber Gawyn nahm ›Die Luft falten‹ ein, wehrte den Schlag ab und wartete auf Sleetes nächsten Angriff, denn er war der Gefährlichere der beiden. Sleete nahm mit geschmeidigen Schritten eine neue Haltung ein, die Klinge nach unten an der Seite gehalten, während er die großen Heuballen im hinteren Teil der stickigen Scheune hinter sich brachte.
Gawyn schritt in ›Katze auf heißem Sand‹, während Marlesh es mit ›Kolibri küsst die Honigrose‹ versuchte. Kolibri war nicht die richtige Figur für so einen Angriff, sie nutzte nur selten etwas gegen einen defensiv kämpfenden Mann, aber Marlesh hatte es offensichtlich satt, immer nur abgewehrt zu werden. Er wurde ungeduldig. Gawyn konnte das benutzen. Und das würde er auch tun.
Sleete rückte wieder vor. Gawyn brachte das Schwert wieder in Abwehrstellung, als die beiden Behüter gemeinsam vorrückten. Er ging sofort zu ›Apfelblüten im Wind‹ über. Seine Klinge blitzte dreimal auf, drängte den ungläubig schauenden Marlesh zurück. Marlesh fluchte, warf sich nach vorn, aber Gawyn führte das Schwert aus der vergangenen Figur und glitt anmutig in ›Tau vom Ast schütteln‹ hinein. Er trat vor und führte eine Reihe von sechs kurzen Hieben aus, warf Marlesh zurück und zu Boden – der Mann war viel zu schnell wieder in den Kampf getreten – und zwang Sleetes Schwert zweimal zur Seite und endete damit, dem Mann die Klinge an den Hals zu halten.
Die beiden Behüter blickten Gawyn fassungslos an. Als er sie das letzte Mal besiegt hatte, hatten sie ähnlich geblickt, und bei dem Mal davor auch. Sleete trug eine Klinge mit dem Reiherzeichen und war in der Weißen Burg beinahe eine Legende für sein Können. Es hieß, er hätte sogar Lan Mandragoran zweimal bei sieben Durchgängen besiegt, damals, als dieser noch mit den anderen Behütern Übungskämpfe absolviert hatte. Marlesh war nicht so angesehen wie sein Gefährte, aber er war trotzdem ein fähiger und gut ausgebildeter Behüter, kein leichter Gegner.
Aber Gawyn hatte gewonnen. Schon wieder. Wenn er übte, erschienen die Dinge so einfach. Die Welt zog sich zu etwas Kleinerem zusammen, das man leichter aus der Nähe betrachten konnte. Er hatte nie etwas anderes gewollt, als Elayne zu beschützen. Er wollte Andor verteidigen. Vielleicht lernen, etwas mehr wie Galad zu sein.
Warum konnte das Leben nicht so einfach wie ein Schwertkampf sein? Klare Gegner, die ordentlich aufgereiht vor einem standen. Der Gewinn offensichtlich: Überleben. Wenn Männer miteinander kämpften, erschufen sie auch eine Verbindung. Man wurde zu Brüdern, während man Hiebe austauschte.
Gawyn hob die Klinge und trat zurück, schob das Schwert in die Scheide. Er hielt Marlesh die Hand hin, der sie ergriff und kopfschüttelnd aufstand. »Ihr seid bemerkenswert, Gawyn Trakand. Wenn Ihr Euch bewegt, seid Ihr wie ein Geschöpf aus Licht, Farbe und Schatten. Wenn ich Euch gegenübertrete, komme ich mir vor wie ein Knabe mit einem Stock in der Hand.«
Sleete steckte sein Schwert schweigend weg, aber er nickte Gawyn respektvoll zu – genau wie die letzten beiden Male, als sie miteinander gekämpft hatten. Er war ein Mann weniger Worte. Gawyn wusste das zu schätzen.
In der Scheunenecke stand ein zur Hälfte gefülltes Wasserfass, und die Männer gingen dorthin. Corbet, einer der Jünglinge, tauchte eilig eine Schöpfkelle hinein und reichte sie Gawyn. Gawyn gab sie an Sleete weiter. Der ältere Mann nickte wieder und trank, während
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