Im Schloss aus Glut und Leidenschaft
1. Kapitel
England, 1818
Die königliche Kutsche und ihre Eskorte von bewaffneten Reitern stürmten durch die dunkle Herbstnacht, über eine einsame Straße inmitten dichter Wälder.
Im Innern des Gefährts saß die schwarzhaarige Prinzessin Sophia von Kavros ihrer Zofe gegenüber und blickte hinaus auf das düstere Durcheinander von knorrigen Baumstämmen und dürren Ästen, an denen sie vorübereilten. Die kleinen Flammen der Kerzenleuchter warfen ihr Spiegelbild auf das Fensterglas - ein Gesicht von exotischer Schönheit, mit einem Ausdruck konzentrierter Nachdenklichkeit, tief in Gedanken versunken.
Jetzt dauerte es nicht mehr lange.
Nur ein paar Stunden noch. Dann würden sie das Schloss erreichen, in dem das geheime Treffen mit den britischen Diplomaten stattfinden sollte, das für die Nacht geplant war.
Im Rhythmus der schaukelnden Kutsche ging Sophia im Geiste noch einmal die leidenschaftliche Ansprache durch, die sie vor den Lords des Außenministeriums halten wollte.
Jetzt, an diesem für sie so schicksalsträchtigen Abend, konnten sie sie nicht länger abweisen. Denn Schlag Mitternacht würde sie einundzwanzig Jahre alt werden und damit die gesetzliche Volljährigkeit erreichen. Und dann würden sie sie nicht mehr mit ihren Ausreden und Protesten abwimmeln können, weil sie angeblich zu jung war zum Herrschen.
Die Zeit war für die britische Regierung gekommen, ihr Versprechen einzulösen und Sophia auf den Familienthron zu erheben. So lautete der Wunsch ihres Volkes, und das hatte wahrhaftig genug gelitten.
Unruhig sah sie zu ihrer Begleiterin. „Wie spät ist es, Alexa?“
Die hinreißende Blonde zuckte zusammen, als Sophia sie ansprach.
Natürlich waren sie beide in dieser Nacht angespannt, da so viel auf dem Spiel stand.
Alexa warf einen Blick auf ihre Taschenuhr. „Viertel nach neun, Hoheit. Zehn Minuten sind vergangen, seit Sie das letzte Mal gefragt haben“, fügte sie mit einem schwachen Lächeln hinzu.
Sophia runzelte die Stirn und spähte wieder ungeduldig durch das Fenster, störte sich aber nicht an dem wenig ergebenen Tonfall ihrer Gefährtin. Alexa war schon zu lange bei ihr, um viel aufs Zeremoniell zu geben: Ihre Vorfahren waren seit Generationen Höflinge der königlichen Familie und ihr sogar ins Exil nach England gefolgt, als das griechische Inselreich an Napoleon fiel. Alexa war zu Sophias Zofe ernannt worden, als die beiden Mädchen kaum fünfzehn waren.
Außerdem scherzte Alexa immer, wenn sie angespannt war.
„Müssen Sie so finster aussehen?“, fuhr die Freundin fort und klang dabei etwas verstimmt, obwohl sie sich um einen leichten Tonfall bemühte. „Nicht jede junge Frau bekommt zum Geburtstag eine Krone und ein Zepter überreicht, wissen Sie.“
„Noch sind wir nicht da“, erklärte Sophia.
Wenn jemand so viele schockierende Irrungen des Schicksals erlebt hatte wie sie in ihrem kurzen Dasein, dann lernte er, nichts als gewiss anzusehen.
Die Kooperation der Engländer zum Beispiel.
Sie glaubte nicht, dass sie ihr zu diesem Zeitpunkt mit offener Ablehnung begegnen würden, nun, da sich die Bedingungen in Kavros so eindeutig verbessert hatten. Aber die englische Regierung würde zweifellos versuchen, sie an die Kandare zu nehmen. Doch Sophia ging davon aus, dass sie das eine Weile aushalten konnte, zumindest bis ihre Macht gesichert war.
Bis dahin hatten die Engländer hoffentlich gemerkt, dass sie größere Pläne hegte als nur den, ihnen als königliche Galionsfigur zu dienen.
Ihr Volk brauchte dringend eine richtige Führung. Obwohl sie nie damit gerechnet hatte zu regieren, fielen ihr jetzt, da ihr Vater und beide ältere Brüder tot - ermordet -waren, die Pflichten des königlichen Hauses zu.
Offensichtlich waren die Aufgaben, die vor ihr lagen, gefährlich. Ihre Familie hatte viele Feinde, und wenn sie in die Öffentlichkeit trat, würde sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Aber das war egal. Der große, starke Leon, ihr Leibwächter seit ihrer Kindheit und zurzeit der Befehlshaber ihrer Sicherheitskräfte, hatte sie auf alle Zwischenfälle vorbereitet.
In diesem Augenblick lenkte er sein Pferd neben die Kutsche und neigte den rasierten Kopf, um hineinsehen zu können. „Wie geht es unseren Damen?“, fragte er heiter über den Lärm der knarrenden Kutsche und der trommelnden Pferdehufe hinweg.
„Ausgezeichnet“, versicherte Sophia.
„Nur ein wenig
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