Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
auf ihm auftürmten wie Ziegel auf einer Palette. Dabei verschwendete er keinen Gedanken daran, sich zur Ruhe zu setzen. Als Junge hatte er oft das Gefühl gehabt, von etwas getrieben zu werden – die Sorge, dass bei Erreichen seiner Volljährigkeit alle großen Schlachten bereits geschlagen sein würden, dass der ganze Ruhm bereits geerntet war.
Manchmal beneidete er die Jungen um ihre Dummheit.
»Sie marschieren schnell, Rodel«, sagte Lidrin. Er war ein junger Mann mit einer Narbe auf der linken Wange, und er trug einen modischen schmalen schwarzen Schnurrbart. »Sie können es nicht erwarten, diese Stadt zu erobern.« Vor Beginn dieses Feldzugs war Lidrin ein noch unerprobter Offizier gewesen. Jetzt war er Veteran. Obwohl Ituralde und seine Streitkräfte beinahe jedes Gefecht mit den Seanchanern gewonnen hatten, hatte Lidrin miterleben müssen, wie drei seiner Offizierskameraden gefallen waren, darunter der arme Jaalam Nishur. Aus ihrem Tod hatte Lidrin eine der bittersten Lektionen des Kriegshandwerks gelernt: ein Sieg bedeutete nicht notwendigerweise das Überleben. Und Befehlen zu folgen bedeutete oft auch nicht, zu siegen oder zu überleben.
Lidrin trug nicht seine gewöhnliche Uniform. Das taten weder Ituralde noch einer der anderen Männer. Ihre Uniformen waren anderswo gebraucht worden, und das ließ ihnen nur schlichte, abgetragene Mäntel und braune Hosen, die häufig von Ortsansässigen geliehen oder gekauft worden waren.
Ituralde hob wieder das Fernrohr und dachte über Lidrins Bemerkung nach. In der Tat marschierten die Seanchaner sehr schnell; sie planten, Darluna im Handstreich zu besetzen. Sie erkannten den Vorteil, der das brachte, denn sie waren kluge Gegner, und sie hatten in Ituralde wieder eine Begeisterung entfacht, die er schon vor Jahren hinter sich gelassen geglaubt hatte.
»Ja, sie drücken aufs Tempo«, sagte er. »Aber was würdet Ihr tun, Lidrin? Ein feindliches Heer aus zweihunderttausend Mann hinter Euch, ein weiteres aus hundertfünfzigtausend Mann vor Euch. Von allen Seiten von Feinden umgeben, würdet Ihr Eure Männer nicht vielleicht auch etwas zu sehr antreiben, wenn Ihr wüsstet, dass am Ende eine Zuflucht auf Euch wartet?«
Lidrin schwieg. Ituralde schwenkte das Fernrohr und studierte die Frühlingsfelder, auf denen viele Arbeiter dicht gedrängt mit der Aussaat beschäftigt waren. Für diesen Teil des Landes war Darluna eine große Stadt. Natürlich konnte hier im Westen nichts mit den großen Städten des Ostens und Südens mithalten, ganz egal, was die Bewohner von Tanchico oder Falme auch behaupten mochten. Und dennoch, Darluna hatte eine ordentliche Granitmauer von zwanzig Fuß Höhe. In den Befestigungen lag keine Schönheit, aber es war eine stabile Mauer, und sie umgab eine Stadt, die groß genug war, um jeden Landjungen staunen zu lassen. In seiner Jugend hätte Ituralde sie als prächtig bezeichnet. Das war, bevor er vor Tar Valon gegen die Aiel gekämpft hatte.
Auf jeden Fall war es die beste Befestigung, die es in der Gegend zu finden gab, und das war den seanchanischen Kommandanten zweifellos bekannt. Sie hätten auf einem Hügel Stellung beziehen können; bei einem Angriff von allen Seiten hätte man die Fähigkeiten der Damane voll ausschöpfen können. Allerdings hätte ihnen das nicht nur keine Möglichkeit zum Rückzug gelassen, es hätte ihnen auch nur wenige Möglichkeiten zur Versorgung geboten. Hinter Stadtmauern würde es Brunnen und vielleicht sogar Reste der Wintervorräte geben. Und Darluna, dessen Garnison anderswo zum Dienst gezwungen worden war, war viel zu klein, um ernsthaft Widerstand leisten zu können …
Ituralde senkte das Fernrohr. Er musste nicht wissen, was geschah, als die seanchanischen Späher die Stadt erreichten und verlangten, dass man dem Invasionsheer die Tore öffnete. Er schloss die Augen und wartete.
Lidrin neben ihm atmete leise aus. »Sie haben es nicht bemerkt«, flüsterte er. »Sie bringen den Großteil ihrer Truppen zur Stadtmauer und warten darauf, eingelassen zu werden!«
»Gebt den Befehl«, sagte Ituralde und schlug die Augen wieder auf. Mit überlegenen Spähern wie den Raken gab es ein Problem. Verfügte man über ein so nützliches Werkzeug, dann neigte man dazu, sich auch darauf zu verlassen. Und derartiges Vertrauen konnte ausgenutzt werden.
In der Ferne warfen die vermeintlichen Feldarbeiter ihre Werkzeuge zur Seite und zogen Bogen und Pfeile aus verdeckten Gräben. Die Stadttore öffneten sich und
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