Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
stürzten. Der dicke Mann sah aus, als wäre er lieber beim Pferdediebstahl erwischt worden – und darum auf dem Weg zur Hinrichtung –, als dort sitzen und von Aes Sedai verhört werden zu müssen.
Joline führte das Rudel an. Einst hätte Mat sie mit ihrer schlanken Figur und den großen einladenden braunen Augen als hübsches Mädchen beschrieben. Aber nun war dieses alterslose Aes Sedai-Gesicht nur noch ein Warnzeichen für ihn. Nein, er würde es nun nicht einmal mehr in Gedanken wagen, die Grüne als hübsch zu bezeichnen. Ließ man zu, eine Aes Sedai hübsch zu finden, fand man sich zwei Zungenschläge später um ihren Finger gewickelt und sprang, wenn sie es befahl. Joline hatte doch tatsächlich schon angedeutet, dass sie ihn als ihren Behüter haben wollte!
Ob sie wohl noch immer wütend auf ihn war, weil er ihr den Hintern versohlt hatte? Natürlich konnte sie ihm mit der Einen Macht nichts antun – nicht nur wegen seines Medaillons, sondern weil Aes Sedai geschworen hatten, die Macht nie zum Töten einzusetzen, falls nicht ganz bestimmte Umstände eintraten. Aber er war kein Narr. Ihm war nicht entgangen, dass ihre Eide nichts über den Gebrauch von Messern sagten.
Jolines Begleiterinnen waren Edesina von der Gelben Ajah und Teslyn von den Roten. Edesina war nett anzuschauen, wenn man einmal das alterslose Gesicht ignorierte, aber Teslyn war etwa so appetitlich wie ein Stock. Die Illianerin hatte scharf geschnittene Gesichtszüge und war knochig, wie eine alte Katze, die zu lange allein für sich hatte sorgen müssen. Aber sie schien einen vernünftigen Kopf auf den Schultern zu tragen, soweit er es mitbekommen hatte, und manchmal hatte er den Eindruck, dass sie ihm mit einem gewissen Respekt entgegentrat. Respekt von einer Roten. Das musste man sich einmal vorstellen.
Aber wenn man sich einmal vergegenwärtigte, wie jede der Aes Sedai ihn nacheinander ansah, als sie ihn passierten, wäre einem nie in den Sinn gekommen, dass sie ihm ihr Leben schuldeten. So war das eben mit Frauen. Rettete man ihnen das Leben, und sie würden unweigerlich behaupten, dass sie kurz davorgestanden hatten, sich aus eigener Kraft zu befreien und einem deshalb gar nichts schuldeten. Vermutlich schimpften sie einen noch aus, weil man ihre angeblichen Pläne durcheinandergebracht hatte.
Warum machte er sich überhaupt die Mühe? Eines schönen Tages würde er endlich zur Vernunft kommen und den nächsten Haufen weinend in ihren Ketten zurücklassen.
»Was war das?«, wollte Joline von Vanin wissen. »Ihr habt endlich herausgefunden, wo wir sind?«
»Verflucht noch mal, ja«, erwiderte Vanin und kratzte sich unverfroren. Ein guter Mann, dieser Vanin. Mat lächelte. Behandelte alle Menschen gleich. Ganz egal, ob es nun Aes Sedai waren oder nicht.
Joline starrte ihn durchdringend an und beugte sich vor wie ein Wasserspeier auf dem Dach eines Lords. Vanin zuckte erschocken zurück, sackte in sich zusammen und schaute dann verlegen zu Boden. »Ich meine, das habe ich in der Tat, Joline Sedai.«
Mats Grinsen verblasste. Verdammt, Vanin!
»Ausgezeichnet«, sagte Joline. »Und es gibt ein Dorf? Vielleicht finden wir ja endlich ein anständiges Gasthaus. Ich könnte etwas anderes als dieses ›Futter‹ gebrauchen, das Cauthons Schurken Essen nennen.«
»Moment mal«, mischte sich Mat ein, »das ist kein …«
»Wie weit sind wir noch von Caemlyn entfernt, Meister Cauthon?«, unterbrach ihn Teslyn. Sie gab sich alle Mühe, Joline zu ignorieren. In letzter Zeit schienen sich die beiden ununterbrochen an die Kehle zu fahren – natürlich auf die kühlste und nach außen hin freundschaftlichste vorstellbare Weise. Aes Sedai zankten nicht. Mat hatte sich einmal einen langen Vortrag anhören dürfen, nur weil er ihre »Diskussionen« als »Zankerei« bezeichnet hatte. Ganz egal, dass er Schwestern hatte und genau wusste, wie sich eine ordentliche Zankerei anhörte.
»Was sagtet Ihr, Vanin?«, fragte er und sah seinen Kundschafter an. »Dass wir ungefähr zweihundert Meilen von Caemlyn entfernt sind?«
Vanin nickte. Der Plan sah vor, dass sie zuerst nach Caemlyn ritten, weil sich Mat mit Estean und Daerid treffen musste, um Informationen und Vorräte zu bekommen. Danach konnte er sein Versprechen an Thom erfüllen. Der Turm von Ghenjei würde noch ein paar Wochen warten müssen.
»Zweihundert Meilen«, wiederholte Teslyn. »Wie lange dann noch bis zu unserer Ankunft?«
»Nun, ich schätze, das hängt davon ab«,
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