Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
Haut spüren, wie sie zudrückten, hilflos und zugleich unglaublich stark. Selbst wenn Semirhage die treibende Kraft hinter seiner Tat gewesen war, er war derjenige, der zu schwach gewesen war, um Min rechtzeitig fortzuschicken und zu beschützen.
Fortgeschickt hatte er sie noch immer nicht. Nicht, weil ihm dazu die nötige Entschlossenheit gefehlt hätte, sondern weil etwas in ihm aufgehört hatte, sich dafür zu interessieren. Das galt nicht für Min – er liebte sie leidenschaftlich, und das würde sich auch nicht ändern. Aber er wusste, dass ihm Tod, Schmerzen und Zerstörung folgten; er zog sie hinter sich her wie den Saum seines Umhangs. Es bestand die Möglichkeit, dass Min hier starb, aber sollte er sie fortschicken, würde sie in der gleichen Gefahr schweben. Seine Feinde vermuteten bestimmt schon, dass er sie liebte.
Es gab keine Sicherheit. Sollte sie sterben, würde er sie auf die Liste setzen und darunter leiden.
Er setzte sich wieder in Bewegung, bevor Fragen gestellt wurden. Tai’daishars Hufe senkten sich auf den erdigen Untergrund, der durch die feuchte Luft nachgiebig war. Hier regnete es oft; Bandar Eban war die wichtigste Hafenstadt im Nordwesten. Auch wenn sie von der Größe her nicht mit den Städten im Süden mithalten konnte, war sie trotzdem beeindruckend. Reihen aus rechteckigen Häusern, die alle aus Holz erbaut waren und mehrere rückwärts versetzte Stockwerke aufwiesen. Sie sahen aus wie Bauklötze, die man perfekt aufeinandergestapelt hatte. Sie füllten die Stadt und senkten sich sanft dem riesigen Hafen entgegen.
Am Hafen war die Stadt am breitesten, was den Eindruck eines Männerkopfes erweckte, der den Mund weit öffnete, als wollte er den Ozean selbst austrinken. Die Docks lagen so gut wie verlassen da; die einzigen Schiffe, die dort angelegt hatten, waren Dreimaster des Meervolks und ein paar Fischerkähne. Die fehlenden Schiffe ließen den riesigen Hafen nur noch verlassener aussehen.
Das war das erste Zeichen, dass in Bandar Eban nicht alle Dinge zum Besten standen.
Abgesehen von dem so gut wie unbenutzten Hafen war das andere hervorstechende Merkmal der Stadt die Banner. Sie flatterten auf jedem Dach oder hingen von den Häusern, ganz egal, wie bescheiden sie auch sein mochten. Viele von ihnen zeigten das Handwerk an, das in dem Haus ausgeübt wurde – was in Caemlyn einfache Holzschilder getan hätten. Die Banner waren ausgesprochen extravagant, ihre hellen Farben flatterten im Wind. An den Fassaden der meisten Häuser hingen zueinanderpassende Banner, die an Wandteppiche erinnerten und in hellen Aufschriften Besitzer, Meisterhandwerker und Kaufmann eines jeden Ladens verkündeten. Selbst die Wohnhäuser trugen Banner mit den Namen der dort lebenden Familien.
Von kupferhäutiger und dunkelhaariger Natur, bevorzugten die Domani helle Kleidung. Domani-Frauen waren für ihre Kleider berüchtigt, die durchsichtig genug waren, um empörend zu sein. Es hieß, dass sich die ganz jungen Domani-Mädchen in der Kunst übten, wie man Männer manipulierte, und sich so auf den Tag ihrer Volljährigkeit vorbereiteten.
Ihr Anblick auf der Straße war beinahe Spektakel genug, um Rand aus seinem Brüten zu holen. Vielleicht noch vor einem Jahr hätte auch er sie angeglotzt, aber jetzt hatte er kaum einen Blick für sie übrig. Tatsächlich kam ihm der Gedanke, dass die Domani in der Masse alles andere als eindrucksvoll waren. Eine Blume auf einem Feld voller Unkraut war immer ein beeindruckender Anblick, aber wenn man jeden Tag an gepflegten Blumenbeeten vorbeikam, nahm man sie nicht mehr richtig wahr.
So in seine Gedanken versunken er auch war, entgingen ihm trotzdem nicht die Zeichen des Hungers. Die hageren Gesichter der Erwachsenen waren genauso unmissverständlich wie der furchtsame Ausdruck in den Augen der Kinder. Noch vor wenigen Wochen hatte in dieser Stadt das Chaos geherrscht, auch wenn Dobraine und die Aiel dem Gesetz wieder Geltung verschafft hatten. Einige der Häuser wiesen hastig geflickte Fenster oder zerbrochene Bretter auf, und einige der Banner waren offensichtlich vor kurzer Zeit heruntergerissen und schlampig geflickt worden. Das Gesetz war wieder da, aber sein Fehlen war noch immer frisch in aller Erinnerung.
Rands Gruppe erreichte eine zentrale Kreuzung, bei der es sich den großen flatternden Bannern zufolge um den Arandiplatz handelte, und Dobraine führte die Prozession nach Osten. Viele der Aiel, die den Cairhiener begleiteten, trugen die roten
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